Mit guter Bildung in die Zukunft! - Aus dem Programm zur Landtagswahl 2009

Mit guter Bildung in die Zukunft!


Bildung ist ein Menschenrecht. Bildung ist die Grundlage für Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und einen verantwortungsvollen Umgang der Menschen mit sich selbst, mit anderen Menschen und mit der Umwelt. Selbstständiges Denken, Kreativität, soziales Handeln und gesellschaftliches Engagement sind zentrale Fähigkeiten für die Bewältigung unserer Aufgaben heute und morgen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen in der Bildung auf Vielfalt, individuelle Förderung, Selbstverantwortung und Freiheit. Unsere Bildungseinrichtungen sollen zu „Treibhäusern des Lernens“ werden, die ermutigen, befähigen und mehr Partizipation ermöglichen. Sie nehmen Kinder und Jugendliche ernst und heißen Eltern willkommen. Sie stärken die Entwicklung demokratischen Lernens, miteinander Lebens und Arbeitens und sind somit die Basis für erfolgreiches lebensbegleitendes Lernen.


Jedes Kind hat ein Recht auf Teilhabe und gleiche Chancen


Wo und wie ein Kind aufwächst, ist entscheidend für seine Zukunft: Kinder aus benachteiligten Familien haben geringere Chancen höhere Bildungsabschlüsse zu erreichen und damit ihre Potentiale zu entfalten. Bildung ab den ersten Lebensjahren ist der Grundstein, um diese strukturelle Benachteiligung zu beenden und stattdessen gleiche Lern- und Lebenschancen für jedes Kind zu schaffen. Oberste Priorität der Landespolitik muss es daher sein, Bildung und Ausbildung sowie bildungsrelevante Infrastrukturen so zu gestalten, dass sie allen Kindern und Jugendlichen Chancengleichheit und gerechte Teilhabechancen ermöglicht – unabhängig von ihrer kulturellen und sozialen Herkunft. Neben der Bereitstellung einer flächendeckenden für jedes Kind zugänglichen qualitativ hochwertigen Infrastruktur von Kindertagesstätten, Grundschulen und weiterführenden Schulen muss zudem allen Kindern, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, der Zugang zu Freizeit- und Kulturangeboten (z. B. Musikschulen, Sportvereinen, Büchereien, Museen oder auch Nachhilfe) ermöglicht werden. Dazu gilt es vielfältige Ganztagsangebote zu schaffen und gezielt Kinder aus benachteiligten Familien zu fördern. Gleichzeitig ist es notwendig, die Eltern in der Wahrnehmung ihrer Verantwortung zu stärken, ihnen Hilfe und Unterstützung zur Verfügung zu stellen und somit eine Grundlage für gleiche Lern- und Lebenschancen aller Kinder zu schaffen.


Das brandenburgische Bildungssystem für die Zukunft fit machen


Brandenburgs Schülerinnen und Schüler erreichen bei nationalen und internationalen Vergleichsuntersuchungen in zentralen Kompetenzbereichen durchschnittliche Leistungen. Die Verbesserung Brandenburgs bei der letzten PISA-Vergleichsstudie (PISA-E 2006) ist kein Grund zum Jubeln. Brandenburg ist im Bundesvergleich weiterhin nur Mittelmaß, genauso wie Deutschland im internationalen Vergleich. Das Aufrücken im PISA-Ranking ist sicher erfreulich - in der Gesamtschau liegt in Brandenburgs Bildungseinrichtungen jedoch weiter vieles im Argen: individuelle Förderung von Kindern findet nur unzureichend statt, der Unterrichtsausfall ist mit 6 bis 7% viel zu hoch und die Zahl der BildungsverliererInnen nimmt bedrohliche Ausmaße an. Circa 20-25% erreichen kaum die für gesellschaftliche Teilhabe nötigen sprachlichen und mathematischen Basiskompetenzen und bleiben damit als Risikogruppe ohne Aussicht auf eine berufliche Zukunft, die ihnen Arbeit und Einkommen sichert. Zu ihr gehören vor allem Kinder und Jugendliche aus Elternhäusern mit Transfereinkommen, oft mit einer Vielzahl sozialer und kultureller Problemlagen.

  • Mehr als 11% der Jugendlichen in Brandenburg verlassen die Schule ohne einen Abschluss. Wenn weniger Schüler und Schülerinnen ihren Abschluss machen, stehen damit auch weniger gut ausgebildete heimische Fachkräfte dem Arbeitsmarkt in Brandenburg zur Verfügung. Die sozialen Kosten des Scheiterns von Kindern und Jugendlichen werden vor Ort schnell sichtbar und spürbar. Die gesellschaftlichen Aufwendungen für SchulabbrecherInnen übersteigen oft ein Vielfaches die Leistungen, die bei individuellen Förderkonzepten erforderlich gewesen wären.
  • Immer mehr Kinder und Jugendliche werden schon nach kurzer Zeit in Förderschulen mit dem Schwerpunkt „Lernen“ überwiesen. Schülerinnen und Schüler aus dieser Schulform erreichen aber an diesen Schulen zu mehr als 95% nicht einmal den Hauptschulabschluss.
  • JedeR vierte Jugendliche bricht in Brandenburg eine begonnene Berufsausbildung ab. Gleichzeitig ist das Angebot an Ausbildungsstellen in Brandenburg bundesweit am niedrigsten: für nur 41% eines Jahrgangs können betriebliche Ausbildungsstellen zur Verfügung gestellt werden (Bundesdurchschnitt: 55%). Die Folge ist, dass viele Jugendliche auf Lehrgänge ausweichen, die zu keinem voll qualifizierenden beruflichen Abschluss führen.
  • Zu wenige Schülerinnen und Schüler erreichen in Brandenburg das Abitur. Ihr Anteil liegt mit ca. 40% deutlich unter dem OECD-Durchschnitt (54%) und weit unter dem Anteil der Schülerinnen und Schüler, die in skandinavischen Ländern die allgemeine Hochschulreife erlangen (70-80%).
  • Die Schule in Brandenburg bereitet nur ungenügend auf ein Hochschulstudium vor. In keinem anderen Bundesland nehmen weniger Abiturienten und Abiturientinnen ein Studium auf. Nach dem 2. Nationalen Bildungsbericht 2008 ist die Übergangsquote der Studienberechtigten von weniger als 60% in Brandenburg so niedrig wie in keinem anderen Bundesland in Deutschland. Darüber hinaus verlassen deutlich mehr junge Menschen unser Land und studieren außerhalb als Studierende aus anderen Ländern nach Brandenburg wechseln. Im Bildungsmonitor 2008 wird festgestellt, dass Brandenburg nicht die Chancen nutzt, die eine Kombination von beruflicher und akademischer Ausbildung bietet. Duale Studiengänge sind fast gar nicht existent (geringster Anteil aller Bundesländer).
  • Eltern sind zunehmend unzufrieden mit den staatlichen Schulen in Brandenburg und weichen verstärkt auf Schulen in freier Trägerschaft aus. Der hohe Krankenstand von Lehrerinnen und Lehrern ist darauf zurückzuführen, dass die Anforderungen an sie steigen und notwendige Unterstützung für die Schule vielfach nicht zur Verfügung gestellt wird (z.B. Schulsozialarbeit, ausreichende Vertretungsreserve, Zeitreserve für individuelle Schülerförderung sowie Schüler- und Elternberatung).
  • Zwischen der Bedeutung der beruflichen Weiterbildung und ihrer Umsetzung bei Berufen im Bildungsbereich gibt es in Brandenburg eine wachsende Kluft.
  • Während in Deutschland durchschnittlich immerhin noch 4% der Lehrkräfte jünger als 30 Jahre sind, sind diese Lehrkräfte mit nur 0,3% in Brandenburg fast gar nicht vorhanden – eine der vielen Folgen eines völlig unzureichenden Einstellungskorridors.

Schülerinnen und Schüler sind im Berlin-fernen Raum Brandenburgs selten geworden. Gegenüber dem Höchststand Mitte der neunziger Jahre sind die SchülerInnenzahlen inzwischen um die Hälfte zurückgegangen, bis 2020 ist auf Grund des demografischen Echos auf den Geburtenknick mit einem Rückgang um ein weiteres Drittel zu rechnen.
Die rückläufigen Schülerzahlen in Brandenburg sind keine Überraschung, sondern waren nach dem Wende-bedingten Geburtenrückgang und der fortgesetzten Abwanderung schon lange absehbar. Demografischer Wandel bedeutet nicht nur, dass auf Grund gesunkener Geburtenzahlen weniger Kinder eingeschult werden als früher, sondern erzeugt in Brandenburg auch eine gegenläufige Entwicklung: Während die Situation durch die fortgesetzte Abwanderung in den Berlin-fernen Regionen prekär wird, steigen die SchülerInnenzahlen im Berlin-nahen Bereich durch Zuwanderung bereits wieder an. Ein übergreifendes Bildungs- und Erziehungskonzept muss beiden Entwicklungen gleichermaßen gerecht werden.
Die Antworten der rot-schwarzen Landesregierung auf die Probleme Brandenburgs im Bildungsbereich sind zu wenig wirksam und zu wenig konsequent. Um die eklatante Differenz zwischen bildungspolitischen Sonntagsreden und erforderlichen tatkräftigen Initiativen aufzuheben, ist es dringend notwendig, einen Kurswechsel herbeizuführen.
Bildungsgerechtigkeit ist eines der Kernziele des Bildungswesens, neben der Sicherung eines hohen Niveaus von sozialen, fachlichen und methodischen Kompetenzen für alle Schülerinnen und Schüler sowie der Vermittlung eines an Demokratiefähigkeit, Mündigkeit, Aufklärung und Wissenschaftlichkeit ausgerichteten Wertekanons. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betrachten einen derartigen Orientierungsrahmen uneingeschränkt als Richtschnur für die weitere Entwicklung des Bildungswesens in Brandenburg.
Wertschätzung von Bildung und Leistung – Bildungsgerechtigkeit herstellen
Bildung muss Menschen befähigen, denk- und handlungsfähig zu werden. Dazu gehört, neben dem Erwerb von Kompetenzen, die Überzeugung der eigenen Selbstwirksamkeit, das eigene Leben aktiv handelnd bewältigen zu können und am gesellschaftlichen Leben umfassend teilzuhaben. Solche Haltungen und Befähigungen zu fördern, gehört zu den obersten Aufgaben aller Bildungsinstitutionen. Die Bildungspolitik von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellt den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt und nimmt seine Individualität ernst. Wir machen die unterschiedlichen persönlichen Fähigkeiten zum Ausgangspunkt von Bildung. Den Bedürfnissen der Einzelnen besser gerecht zu werden, bedeutet vor allem weniger Auslese und Ausgrenzung und gleichzeitig mehr individuelle Förderung. Diese umfasst die Unterstützung und Motivation der Langsameren oder Lernschwächeren und auch faire Chancen für die Begabteren, sich schneller und ihren Fähigkeiten entsprechend zu entwickeln.
Lust auf Leistung entsteht durch Freude am Lernen, nicht durch eine Verschärfung von Auswahlverfahren wie Zensurenvergabe, Sitzenbleiben und Kopfnoten. Wir setzen nicht nur auf bloßes Faktenwissen, sondern auch auf Methodenwissen, Teamfähigkeit, Flexibilität, Innovationsfreude und soziale Kompetenz. Deshalb sehen wir auch im gemeinsamen Lernen für Mädchen und Jungen verschiedener sozialer Herkunft und in der Integration von Kindern mit Behinderungen in allen Schulen eine Bereicherung für alle Beteiligten.
Um faire Chancen für Bildung und eine sozial integrierte Gesellschaft zu schaffen, bedarf es einer Kombination sozialstaatlicher Maßnahmen, die den Zugang zu Beteiligung, Wissen und Wohlstand für Benachteiligte verbessern. Dazu gehören besonders Maßnahmen zur Bekämpfung der gravierenden Kinderarmut, die ein massives Hindernis für erfolgreiche Bildung darstellt. Auch Kindergärten und Schulen müssen sich der gesellschaftlichen Realität stellen: Sie müssen ihrer Arbeit zu Grunde legen, dass unsere Gesellschaft aus Menschen unterschiedlicher kultureller und sozialer Milieus gebildet wird und in dieser Vielfalt lebt. Ein Bewusstsein für Unterschiede bedeutet auch, zu bemerken, wenn ganze Gruppen ihrer Bildungschancen beraubt werden.
Haltungen und Einstellungen der Personen in der unmittelbaren und medialen Umwelt haben Auswirkungen auf die Entwicklung der Selbstbilder und der Leistungsbereitschaft von Kindern und Jugendlichen. Dies gilt auch für die Erwartungshaltungen von Lehrkräften an Kinder und Jugendliche unterschiedlicher sozialer Herkunft. Bildungsgerechtigkeit für die Kinder und Jugendlichen der Risikogruppe (die die für gesellschaftliche Teilhabe nötigen sprachlichen und mathematischen Basiskompetenzen kaum erreichen) kann nur in Verbindung mit einer hohen Leistungsorientierung erreicht werden. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN halten daran fest, dass Leistung und nicht Herkunft über Ausgangschancen im Berufsleben entscheiden soll. Dazu braucht es die Unterstützung durch ein leistungs- und lernfreundliches Klima in und außerhalb der Schule, das Kinder und Jugendliche an konsistenten Leistungsanforderungen ihre Selbstwirksamkeit erfahren lässt. Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf optimistische Erwachsene, die ihnen zutrauen, erwartete Leistung auch zu erbringen.
Bildungsgerechtigkeit muss zu einer Lebenslauf-Aufgabe werden, die vor allem bei der Risikogruppe lange vor der Schulzeit Unterstützung erfordert, während der Schulzeit ohne Förderkonzepte problematisch wird und an den Übergangsschwellen der Sekundarstufen I und II erneut besonderer Aufmerksamkeit bedarf.
Unsere Kernziele: Investitionen in Bildung sind Investitionen in unsere Zukunft
Bildungseinrichtungen in Brandenburg müssen – von Beginn des Bildungsweges an – viel stärker individuelle Lernpfade in ihrem pädagogischen Denken und Handeln in den Blick nehmen, sowohl in den diagnostischen Instrumenten, die es zum Teil bereits gibt, als auch in den Lernangeboten, die sie den Starken wie den Schwachen zur Verfügung stellen. Das verlangt einen Professionalisierungsschub des Lehr- und vor allem des Leitungspersonals an den Bildungseinrichtungen und mehr autonome Entscheidungen. Jede Bildungseinrichtung braucht eine Fortbildungskonzeption, in deren Rahmen verpflichtende Fort- und Weiterbildung mit öffentlicher Rechenschaftslegung und Evaluation erfolgen soll. Ferner muss für eine wesentlich dichtere Verzahnung zwischen allen Bildungseinrichtungen - vertikal wie horizontal - gesorgt werden, um besonders an den Übergängen mehr Durchlässigkeit für die kontinuierliche Fortschreibung individueller Bildungsbiografien der Lernenden zu schaffen.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen den mittleren Schulabschluss nach der Klasse 10 in einer Schule für alle Kinder zum Standard werden lassen. Wir wollen mehr Schülerinnen und Schüler für die Qualifikation zur Allgemeinen Hochschulreife befähigen und mehr Jugendliche besser auf ihren Übergang in Ausbildung und Beruf vorbereiten. Brandenburg braucht neue Impulse und bessere Rahmenbedingungen in der Weiterbildung. Dazu gehören unterstützende Finanzierungen, mehr Beratung und Transparenz sowie bessere Qualitätssicherung und Zertifizierung. An solchen Stellen Geld und Ideen zu investieren, zahlt sich aus. Bildungsausgaben sind keine Kosten, sondern Investitionen in das Zukunftsvermögen unserer Gesellschaft, die sich für die/den Einzelnen, für die Unternehmen, für den Staat und die Sozialkassen rechnen.

Guter Start mit früher Bildung

Von Geburt an sind Kinder neugierige, kompetente und eigenständige Entdeckerinnen und Entdecker der Welt.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN treten für einen Rechtsanspruch auf eine qualitativ hochwertige, ganztägige Kinderbetreuung für alle Kinder ab dem ersten Lebensjahr ein, die nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen darf. Für die Verbesserung der Qualität sollen Erzieherinnen und Erzieher perspektivisch auch an Hochschulen und Fachhochschulen ausgebildet werden.
Kindertagesbetreuung in Kindertagesstätten oder -tagespflege erfüllt zwei grundlegende Bedürfnisse: Sie ermöglicht die Vereinbarung von Familie und Beruf und sie befriedigt das Bedürfnis der Kinder nach gleichaltrigen SpielfreundInnen: Kinder brauchen Kinder! Untersuchungen zeigen, dass erfolgreiche PISA-Länder schon im Kleinkindalter eine gute, den Kindern zugewandte Betreuung, Erziehung und Bildung praktizieren: Auf den Anfang kommt es an! Bereits im Kleinkindalter werden die Grundlagen für ein gelingendes und glückliches Leben gelegt, es kann aber auch einschneidend gefährdet und behindert werden.

Qualität braucht einen adäquaten Rahmen

Qualitativ hochwertige Arbeit mit Kindern nimmt die Neugier und Kreativität von Kindern auf und befriedigt deren Grundbedürfnisse, Erfahrungen sammeln zu wollen. Die Kindertagesstätte ist die erste Bildungseinrichtung, die ein Kind besucht. Nur verbindliche Qualitätsstandards (z.B. Arbeit nach Bildungsplänen, regelmäßige Evaluation der Kita-Konzeption usw.) können sicher stellen, dass die Kinder durch pädagogisch hochwertige Arbeit in ihrer Entwicklung begleitet werden. Alle Kinder, insbesondere aber Kinder aus benachteiligten Familien und solche mit Migrationshintergrund, können so frühzeitig in ihrem individuellen Lernen gefördert werden. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen die gesetzliche Finanzierung der Kindertagesbetreuung mit Anreizen zur Qualitätsentwicklung verbinden. Dafür sollen Evaluationsinstrumente geschaffen werden, die es den Eltern und den Trägern ermöglichen, Rückmeldungen über die Qualität der pädagogischen Arbeit zu erhalten.
Brandenburg hat einen hohen Versorgungsgrad in der Kindertagesbetreuung. Die Anforderungen an die Einrichtungen und an die ErzieherInnen sind stetig gestiegen bei wachsenden Erwartungen vieler Eltern. Etliche Kindertageseinrichtungen entwickeln sich zu Bildungseinrichtungen, obwohl sich die Rahmenbedingen nicht wesentlich verbessert haben. Brandenburg liegt beim Betreuungsschlüssel der 0 bis 3-Jährigen bundesweit mit 1:7 auf dem letzten Platz und mit 1:13 bei den 3 bis 6-Jährigen auf dem drittletzten Platz. Mit diesem ungenügendem Personalschlüssel ist die geforderte moderne, qualitativ anspruchsvolle Bildungs- und Erziehungsarbeit nicht zu leisten. Bildungsarbeit beinhaltet auch Zeit für Vor- und Nachbereitung, Zeit für die Dokumentation der Lernfortschritte und Zeit für die Elternarbeit.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen den Personalschlüssel bei der Kindertagesbetreuung schrittweise verbessern, um den hohen Qualitätsanforderungen von Kleinkindpädagogik gerecht zu werden:

  • bei den 0 bis 3-Jährigen soll eine ErzieherIn mit vier Kindern,
  • bei den 3 bis 6-Jährigen soll eine ErzieherIn mit höchstens acht Kindern und
  • bei den 6 bis 12-Jährigen soll eine Erzieherin mit höchstens zwölf Kindern arbeiten.

Zudem wollen wir, dass angesichts der gewachsenen Ansprüche bezüglich Teamentwicklung, Sozialmanagement und Erziehungspartnerschaften die volle Freistellung der Leitung bei 9 MitarbeiterInnen für eine qualitativ hochwertige Arbeit sichergestellt wird (bei kleineren Einrichtungen anteilig).


So werden die Kleinen groß

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen den Aufbau lokaler Bündnisse für Bildung in Gang setzen, die die Vernetzung der Bildungseinrichtungen der vorschulischen Bildung mit denen der Grundschule fördert. Das Recht auf Bildung für jedes Kind kann nur eingelöst werden, wenn alle verantwortlichen Akteure gemeinsam handeln. Eltern müssen als Partner in den Kommunen anerkannt und ihre Bedürfnisse und Vorstellungen berücksichtigt werden. Sie sollen mitbestimmen, wie die Lebens- und Lernwelten der Kinder gestaltet werden. Sie sollen gemeinsam mit den ErzieherInnen eine wirkliche Erziehungspartnerschaft entwickeln.


(Frühkindliche) Bildung und Betreuung sind auch Prävention

Kindertagesbetreuung kann präventiv wirken, vorausgesetzt, die Qualität bleibt nicht auf der Strecke. Gerade belastete Familien brauchen eine verlässliche und beständige Betreuungs- und Hilfsinfrastruktur. Eltern-Kind-Zentren können hier einen wesentlichen Beitrag leisten. Kindertagesstätten, die sich zu Eltern-Kind-Zentren weiterentwickeln, wissen den Kontakt zu ihren Eltern und Kindern zu nutzen und bieten sich als Institution mit Vermittlungsfunktion an. Dreh- und Angelpunkt sind Fachkräfte, die den Eltern als AnsprechpartnerInnen zu Verfügung stehen. Sie bieten erste kompetente Beratung an und initiieren ggf. erste unterstützende Hilfe. Vor allem müssen sie an andere Stellen vermitteln bzw. auf bestehende Angebote verweisen.
Neben ihrem frühkindlichen Bildungsauftrag machen Eltern-Kind-Zentren Angebote der Familienbildung und Elternberatung zugänglich. Sie müssen sich zu zentralen Knoten im Netz der frühen Hilfen entwickeln. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern die Kommunen und das Land auf, jetzt in die frühe Förderung von Kindern und die Unterstützung von Familien zu investieren. Förderung der Erziehung in der Familie und Familienbildung müssen endlich gesetzlich verbindlich geregelt und die Kommunen in die Lage versetzt werden, sie auch in schwieriger Haushaltslage anbieten zu können.
Für das Erlernen sozialer Kompetenzen ist auch eine kindgerechte Heranführung an demokratische Prozesse unter Beteiligung der Kinder unabdingbar. Kinder sollen ihre Bedürfnisse artikulieren und ihre Räume mit gestalten können.
Zum Heranwachsen der Kinder liegt uns eine gesunde, schmackhafte, regionale und ökologische Gemeinschaftsverpflegung im Zusammenhang mit Umweltbildung besonders am Herzen. Kinder sollen in der Tagesbetreuung stärker für den Erhalt und die Schönheit der Natur sensibilisiert und zu einer bewussten Lebensweise angeregt werden.
Unser Ziel bleibt es, die Kindertagesbetreuung zu einer kostenfreien Bildungseinrichtung zu entwickeln. Als ersten Schritt wollen wir Kindern aus Familien mit geringen Einkommen einen kostenfreien Kita-Besuch garantieren.


Qualitätsoffensive für frühkindliche Bildung

Wir wollen, dass das Land Brandenburg im Bundesrat initiativ wird. Wir brauchen eine Qualitätsoffensive unter Beteiligung des Bundes:
1. mit einem verbindlichen Rahmen für die Ausbildung von ErzieherInnen an Fachschulen, Fachhochschulen und Hochschulen. Die praxisorientierte Ausbildung an den Fachschulen muss stärker mit der Wissenschaft verzahnt und um wichtige Aspekte wie Mehrsprachigkeit, Multikulturalität, Heilpädagogik und genderspezifische Themen erweitert werden. Fortbildungen müssen angeboten und finanziert werden. Leitungskräfte sollen künftig eine Qualifikation auf Fachhochschul- oder Hochschulniveau mitbringen.
2. mit einem einheitlichen Qualitätssiegel für die Kinderbetreuung.
Nur so können möglichst viele Kinder möglichst früh von guter Bildung profitieren und Eltern frühzeitige Unterstützung erfahren.
Um das Wohl jedes Kindes zu sichern, brauchen wir:

  • die verfassungsmäßige Verankerung von Kinderrechten,
  • die strukturelle Unterstützung von Eltern vor Ort (z.B. durch Eltern-Kind-Zentren) und
  • eine gesamtgesellschaftliche Stimmung, die Eltern eine grundsätzlich akzeptierende und positive Wertschätzung entgegen bringt.

Bessere Lehr- und Lernbedingungen schaffen – die Unterrichtsqualität steigern!

Die bislang festgesetzte Höchstgrenze von 28 bis 30 SchülerInnen in einer Schulklasse ist zu hoch. Um die individuelle Entwicklung sowie die sozialen Kompetenzen der SchülerInnen zu fördern, halten wir eine maximale Klassenfrequenz von 25 SchülerInnen für eine angemessene Größe.
Gute Schule gelingt nur mit mehr Eigenverantwortung vor Ort. Zur besseren Vermeidung von Unterrichtsausfall muss die Vertretungsreserve auf 5% erhöht werden. Schulen sollen die Möglichkeit bekommen diese Mittel teilweise als Personalkostenbudget zu erhalten, um kurzfristige Verträge selber schließen zu können. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen zusätzlich den Förder- und Teilungsunterricht mit 5% zum Bestandteil der regulären Stundenzuweisung erheben, um die individuelle Förderung aller SchülerInnen voranzubringen. Die den Schulen zur freien Verfügung gestellten Stunden (sogenannte ‚Schoolpools‘) müssen aufgestockt werden, damit die Schulen in eigener Verantwortung Schwerpunkte der Schul- und Unterrichtsentwicklung setzen können.
Zahlreiche Studien belegen, dass das Zustandekommen von Zeugnisnoten immer auch anhand subjektiver Kriterien erfolgt und deshalb äußerst kritisch betrachtet werden muss. Ziffernnoten machen keinerlei Aussagen über individuelle Lernerfolge und sind als Instrument der Dokumentation von Lernfortschritten nur bedingt tauglich. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen als ersten Schritt den Schulkonferenzen das Recht einräumen, eine schrittweise Ersetzung der Schulnoten durch alternative Formen selbst beschließen zu können. An ihre Stelle sollen individuelle Lernentwicklungsberichte treten, die Leistungsprofile differenzierter beschreiben, die Entwicklung einer Schülerin bzw. eines Schülers darstellen und die Bedingungen sichtbar machen, unter denen diese Entwicklung stattgefunden hat. Im Gegenzug sollen die betroffenen LehrerInnen zeitlich entlastet werden. Wir sehen in regelmäßig geführten Lerntagebüchern und Entwicklungsberichten eine adäquate Alternative zu der herkömmlichen Vergabe von Noten und Kopfnoten. Die immer noch bestehende Verpflichtung für alle Schulen zur Vergabe von Noten für das Arbeits- und Sozialverhalten am Ende eines Schuljahres wollen wir aufheben. Stattdessen sollen die Schulen selbst darüber entscheiden dürfen, mit welchem Verfahren sie den Schülerinnen und Schülern und deren Eltern eine angemessene Rückmeldung zu den erreichten sozialen Kompetenzen geben.
Der Schulpsychologische Dienst in Brandenburg ist völlig unzureichend ausgestattet. Eine präventive Beratung von Eltern, Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern im Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten, entsprechende Fortbildungsmaßnahmen, therapeutische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen – all das ist mit einem Schlüsselverhältnis von zehntausend SchülerInnen zu einer Personalstelle nicht zu erreichen. Wir fordern daher im ersten Schritt eine Verdoppelung der schulpsychologischen Unterstützungsangebote.
Guter Unterricht erfordert professionelles und gut ausgebildetes Lehrpersonal. Die LehrerInnenfort- und -weiterbildung ist bezogen auf die Erfordernisse unzureichend organisiert. Wir fordern eine Neuausrichtung und Verstärkung der Unterstützungssysteme im Bereich der LehrerInnenfortbildung. Dazu gehört das Recht, aber auch die Verpflichtung, dass Lehrkräfte, Schulleitungen und Schulrätinnen und –räte sich pro Jahr an fünf Tagen fortbilden. Schulen sollen dabei mit einem eigenen Fortbildungsbudget ausgestattet werden, für das sie eigenverantwortlich und zusammen mit der Schulkonferenz Umsetzungskonzepte beschließen. Die Umsetzungskonzepte müssen eine bessere Verzahnung von schulischer Praxis und Wissenschaft gewährleisten. Die Schulaufsicht hat die Aufgabe zu prüfen, ob und mit welchem Ergebnis die schulinternen Fortbildungskonzepte umgesetzt wurden.
Schulen, die im Rahmen der Schulvisitation als „Schulen mit erheblichem Entwicklungsbedarf in vielen Bereichen“ identifiziert werden, erhalten das Recht auf externe Begleitung und Beratung und die dazu erforderlichen Mittel. Zugleich verpflichten sie sich zu einem zielgerichteten Entwicklungsprozess und erneuter Rechenschaftslegung.
Die Schulstrukturen qualitativ weiter entwickeln – eine Schule für Alle!
Die Realisierung von Bildungsgerechtigkeit steht in einem Spannungsverhältnis zentraler Ansprüche und Aufgaben des Bildungswesens. Dazu zählen

  • die Pflicht zur optimalen Förderung aller Kinder und Jugendlichen,
  • die Sicherung des zu erreichenden Kompetenzniveaus durch verbindliche Standards,
  • die Stärkung des sozialen Zusammenhalts innerhalb der Gesellschaft,
  • das Recht der Eltern auf Mitentscheidung bei der Wahl schulischer Bildungsgänge.

Die zur Verringerung der Risikogruppe erforderlichen qualitativen Veränderungen in den Lehr- und Lernkulturen lassen sich in Verbindung mit langem gemeinsamen Lernen und einer gezielten Ausweitung der Bildungsinvestitionen deutlich beschleunigen. Mittelzuweisung, Ausstattung und Ausbildung der Lehrkräfte müssen sich am Grad der Inklusion sowie an sozialen Indikatoren der SchülerInnenschaft bemessen und nicht am Status einer Schulform.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Brandenburg fordern die Aufrechterhaltung der lokalen Grundschule, wo immer dies möglich ist. Jahrgangsübergreifende Klassenbildungen sind zu unterstützen, die Lehrkräfte entsprechend fortzubilden und zu begleiten. Das Konzept einer zweijährigen Eingangsstufe (FLEX) hat sich in Brandenburg bewährt, die Konzeption soll deshalb bis zum Ende der Legislaturperiode auf alle Grundschulen ausgeweitet werden. Flex-Klassen ermöglichen einen
individuellen Schulstart und machen eigenständige Förderschulen in den Jahrgangsstufen 1 und 2 überflüssig. In den höheren Jahrgangsstufen soll eine bedarfsorientierte Ausweitung von Flex ermöglicht werden.
Die mit der Konzentration der Schulstandorte verbundenen langen Fahrtwege zur nächsten Schule sind für SchülerInnen und Eltern eine Belastung. Schulwege müssen verkraftbar sein und dürfen im Grundschulbereich höchstens 30 Minuten, in der Sekundarstufe I höchstens 45 Minuten pro Weg betragen. Lernmittelfreiheit und Kostenfreiheit für den Schultransport sind im gesamten Land sicherzustellen. Mit der in den meisten Landkreisen noch vorhandenen Schülerfahrtkostenbeteiligung werden Familien in ländlichen Regionen benachteiligt.
Brandenburg sollte seine sechsjährige Grundschule als Chance begreifen und sie nicht durch die Einführung von Leistungs- und Begabtenklassen an Gymnasien ab Jahrgangsstufe 5 durchlöchern. In allen Grundschulen muss der Unterricht so organisiert und durchgeführt werden, dass auch Begabungen erkannt und gefördert werden können. Die bestehenden Klassen an Gymnasium ab Jahrgangstufe 5 sollen auslaufen und neue Klassen nicht mehr eingerichtet werden.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN treten dafür ein, einen Innovationsfonds aufzulegen, aus dem alle Schulen für innovative Wege der Förderung der Begabungen von Schülerinnen und Schülern Personal- und Sachmittel erhalten können.
Die Bildung der neuen Oberschulen als Alternative zu Real- und Gesamtschulen ohne gymnasiale Oberstufe war ein richtiger Schritt zu mehr gemeinsamem Lernen. Allerdings hat die Bildungspolitik die damit erforderliche Veränderung der Lehr- und Lernprozesse völlig vernachlässigt und die Lehrkräfte nicht im notwendigen Maß durch pädagogische Begleitprogramme unterstützt, die größere Heterogenität der Klassen positiv zu nutzen. Zugleich ist mit der Einführung der Schulzeitverkürzung am Gymnasium die Durchlässigkeit zum Gymnasium nur noch bis zum Beginn der Jahrgangsstufe 9 gegeben.
Die aktuelle Schulstruktur muss daher weiterentwickelt werden: aus Gymnasien und Oberschulen sollen sich Gemeinschaftsschulen entwickeln, bei denen das Prinzip des gemeinsamen Lernens mit individueller Förderung auch nach der Jahrgangsstufe 6 fortgeführt werden kann. Diese Schulen bieten alle Bildungsabschlüsse der Sekundarstufe I an und bereiten auf die gymnasiale Oberstufe vor. Dazu führen sie eine eigene dreijährige Oberstufe oder kooperieren mit benachbarten Gesamtschulen oder Oberstufenzentren.
Schulreformen müssen von den an Schule Beteiligten getragen werden, eine verantwortungsvolle Bildungspolitik darf daher nicht mit der Brechstange vorgehen, sondern muss sich um Mehrheiten bemühen. Wir wollen die neue Gemeinschaftsschule nicht verordnen, sondern ermöglichen, indem wir durch die Qualität und die Attraktivität dieser Schule überzeugen wollen. Es geht um Schulreform von unten, die allerdings durch die erforderlichen personellen, finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen unterstützt werden muss. Die Initiative, sich zur Gemeinschaftsschule für alle weiter zu entwickeln, liegt bei der Schulgemeinde – den Lehrerinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schülern sowie den Eltern jeder einzelnen Schule – und natürlich beim Schulträger.
Gemeinschaftsschulen, wie wir sie uns vorstellen, reagieren mit großer Flexibilität und individueller Förderung auf die unterschiedlichen Lern- und Lebensvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler, arbeiten als gebundene Ganztagsschulen, streben für alle Schüler und Schülerinnen gute Schulabschlüsse an und übernehmen Verantwortung für die Bildungsergebnisse. Durch Einbeziehung der Eltern und gute Kooperationen mit regionalen Partnern schaffen sie die Voraussetzung für einen erfolgreichen Bildungsverlauf.
In einer solchen zur Lebenswelt hin offenen Schule dürften vor allem die Schulprobleme der männlichen Jugendlichen besser zu lösen sein als in den traditionellen Schulformen und ihrer Unterrichtspraxis.
Es sind alle Anstrengungen zu unternehmen, um den Teufelskreis der Vererbung von Bildungsarmut von einer Generation auf die andere zu durchbrechen, die dafür erforderlichen Investitionen sind gut angelegtes Geld.
Den Versuch, den Zugang zum Gymnasium durch neue Hürden zu erschweren, halten wir für falsch. Die vor kurzem eingeführte zentrale und zensierte Vergleichsarbeit im ersten Halbjahr der Jahrgangsstufe 6 hat keine prognostische Qualität und erzeugt nur unnötigen Druck, Kosten und Verwaltungsaufwand. Statt jährlich mehr als 200.000 Euro in die Erarbeitung neuer Testaufgaben zu stecken, sollte dieses Geld für gezielte Förderangebote genutzt werden. Statt formaler Zugangshürden brauchen Eltern eine gute Beratung und die Gewissheit, dass ihre Kinder an attraktiven Oberschulen oder neuen Gemeinschaftsschulen guten Unterricht mit der Möglichkeit erhalten, die allgemeine Hochschulreife nach 13 Jahren erreichen zu können.


Bildung braucht Zeit – Ganztagsangebote weiter ausbauen

Nachdem die Investitionsmittel des Sonderprogramms Ganztag in Höhe von mehr als 200 Millionen Euro verbaut sind, werden an ca. 40% aller öffentlichen Grundschulen und mehr als der Hälfte der weiterführenden öffentlichen Schulen bereits Ganztagsangebote unterbreitet. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern einen kontinuierlichen bedarfsgerechten Ausbau mit dem Ziel, bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode an mindestens zwei Dritteln aller Grundschulen Ganztagsangebote einzurichten. Die qualitative Entwicklung dieser Angebote erfordert eine bessere Integration von Schule und Hort und eine Konzentration auf die Verbesserung der Angebote für die Jahrgangsstufen 4 bis 6. In der Sekundarstufe I sind im nächsten Schritt zwei Drittel aller weiterführenden Schulen bedarfsgerecht zu gebundenen Ganztagsschulen weiterzuentwickeln. Das dafür zusätzlich erforderliche Personal soll vielfältig qualifiziert sein. Dazu gehören sowohl Lehrkräfte, sozialpädagogische Fachkräfte als auch andere Personen, die durch Honorarmittel in Verfügung der Schulen selbst ausgewählt und einbezogen werden.
Schule muss zum Ort gemeinschaftlicher Bildungs- und Erziehungsarbeit werden. Ganztagsschulen bieten deshalb gegenwärtig die besten Chancen, bei zentralen Problemen den Wandel zu einem integrierten Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungskonzept einzuleiten:

  • Sie lassen mehr Raum, vorhandene Potentiale zu erkennen und damit auch bestmöglich zu entwickeln, sie bieten vielfältigere Möglichkeiten der Durchmischung von leistungsstärkeren und -schwächeren SchülerInnen - voneinander lernen sie am meisten. Individuell fördernde Zusatzangebote lassen sich leichter unterbringen, Hausarbeiten werden im betreuten Rahmen erledigt - dies entlastet die Familien. Die Neugier der SchülerInnen kann durch Angebote zum Selber-Lernen, wie zum Beispiel Bibliotheken, Sprach- und Medienlabore, sinnvoll ergänzt werden.
  • Sie ermutigen zur Organisation professioneller Teamstrukturen unter den Lehrkräften und geben ihnen flexiblere Möglichkeiten zur Abstimmung, Kommunikation und Reflexion ihrer Arbeit. Sie erlauben mehr Differenzierung im Verlauf der individuellen Bildungslaufbahn und schaffen mehr Durchlässigkeit auch zu höheren Abschlüssen.
  • Die wichtige Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer wird ergänzt und bereichert durch die Einbeziehung anderer Professionen und Institutionen.

In der bisherigen Realisierung schöpfen Ganztagsschulen ihre Potentiale jedoch noch sehr unzulänglich aus: Oft bleibt der Untericht am Vormittag unverändert, und die ergänzenden Angebote folgen unverbunden am Nachmittag. Das nicht-lehrende Personal bleibt von Entscheidungsprozessen der Schule vielfach ausgeschlossen. Zur qualitativen Weiterentwicklung fordern wir einen zügigen Ausbau der Unterstützungssysteme. Die bereits bestehende ‚Serviceagentur Ganztag’ muss personell deutlich verstärkt werden, die Zahl der vorhandenen Konsultationsschulen muss ausgebaut werden. Zugleich sind diese Schulen durch bessere finanzielle und personelle Ausstattungen in die Lage zu
versetzen, ihre Aufgabe als regionale Fortbildungseinrichtungen umfassender als bisher wahrzunehmen. Notwendig sind vor allem Maßnahmen, in denen alle in der Bildungs- und Erziehungsarbeit Beschäftigten sich gemeinsam fortbilden, um integrierte Konzepte und ein gemeinsames Bildungsverständnis zu entwickeln. Eine erfolgreiche Ausweitung und qualitative Verbesserung der Angebote an Ganztagsschulen kann nur mit einer Veränderung der Arbeitszeitregelungen für das Lehrpersonal einhergehen. Die Präsenzzeiten der Lehrkräfte müssen an Ganztagsschulen deutlich ausgeweitet werden, damit sinnvolle Rhythmisierungen von strukturierten Lernzeiten und selbstgesteuerten Aktivitäten der SchülerInnen ermöglicht werden.


Elternbeteiligung ausbauen

Schule und Eltern arbeiten häufig nebeneinander, manchmal gegeneinander und zu selten gut miteinander. Eltern sind aber in mehrerer Hinsicht wichtige Partner im Bildungsprozess:

  • Eltern übernehmen eine zentrale Rolle im Bereich der informellen Bildung,
  • mit dem Anspruch der Schule, soziale Ungleichheiten ausgleichen zu wollen, müssen mit den Eltern Unterstützungsmöglichkeiten erörtert werden,
  • Eltern können mit ihren Kenntnissen und Fähigkeiten den Ganztag bereichern.

Um die Zusammenarbeit mit den Eltern auf eine vertrauensvolle Basis zu stellen, müssen geeignete Formen gefunden werden, diese aktiv am Lern- und Entwicklungsprozess der Kinder und Jugendlichen zu beteiligen. Um wirkliche Bildungsgerechtigkeit zu realisieren, ist die Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe und den Eltern eine notwendige Voraussetzung. Die im Land bestehenden Unterstützungsmöglichkeiten für Elternmitwirkung am Landesinstitut für Schule und Medien durch ElterntrainerInnen sind zu verstärken.


Bildung regionaler Verantwortungsgemeinschaften für Kindheit und Jugend


Für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen, ihre Erziehung und Bildung sind viele Menschen innerhalb und außerhalb von Institutionen verantwortlich. Wie dieses Aufwachsen gelingt und ob Benachteiligungen gemindert werden können, hängt davon ab, wie die Bedingungen des Aufwachsens gestaltet werden und wie die beteiligten Akteure handeln. Viele Potentiale werden dadurch verschenkt, dass zwischen diesen Akteuren zu wenig kooperiert wird und dass sie ihre Erziehungs- und Bildungsmaßnahmen nicht abstimmen. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um staatliche Institutionen oder um Privatpersonen handelt. Ungeklärte Verantwortlichkeiten, starre institutionelle Trennungen sowie mangelnde systematische Vernetzung tragen dazu bei, dass vor allem die Kinder und Jugendlichen, die besondere Unterstützung brauchen, nicht genügend gefördert werden.
Auch Schule, Jugendhilfe, Beratungsstellen und außerschulische Partner sind teilweise durch enges Ressortdenken unzureichend vernetzt und teilweise institutionell nicht sinnvoll gegliedert. Bezogen auf die Steuerung von Schule erweist sich die Trennung in innere und äußere Schulangelegenheiten immer mehr als Hemmnis für qualitative Schulentwicklung. Außerdem setzt sich die Erkenntnis durch, dass gute Schulen nicht von oben verordnet, sondern vor Ort gestaltet werden. Insgesamt geht es darum, das Denken in Zuständigkeiten durch ein Denken in Verantwortlichkeiten abzulösen.


Schule und Jugendhilfe gehören zusammen

Bildung, Betreuung und Erziehung gehören zusammen. Die Zusammenarbeit zwischen Jugendhilfe und Schule ist für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine zukunftsweisende Aufgabe. Schule und Jugendhilfe sind bislang Systeme, die zwar viele gemeinsame Aufgaben haben, jedoch zu selten
gemeinsame Lösungen suchen. Durch den Wandel von Familie und neue Anforderungen an die Qualifikationen der heranwachsenden Generation, müssen ganzheitliche Angebote gemacht werden. Dazu gehören das Erkennen körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen ebenso wie die Angebote diese zu überwinden sowie die vorhandenen Kompetenzen zu stärken und neue zu entwickeln. Mit der Einrichtung von Ganztagsschulen steht die Öffnung der Schulen zu ihrem Umfeld und die Kooperation mit außerschulischen Partnern wie Jugendhilfe, Gesundheit, Sport oder Kultur ganz oben auf der Tagesordnung.
Um Kindern und Jugendlichen gerecht zu werden, setzen wir uns dafür ein, Kooperationen und Vernetzungen sozialräumlich zu initiieren und die Verwaltungsstrukturen auf enge Zusammenarbeit auszurichten. Dabei sind besonders die Instrumente der Jugendsozialarbeit, der Familienförderung, der Hilfen zur Erziehung und das Know-How der Gesundheitsämter stärker und frühzeitig im Sinne der Prävention einzusetzen.
Darüber hinaus fordern wir eine regelmäßige Bestands- und Bedarfsanalyse für das Land und die Kommunen, deren Ergebnisse in den Jugendförderplan einfließen müssen.


Ansätze zu Reformen – mehr Verantwortung vor Ort übernehmen!


An vielen Orten lassen sich vielversprechende Ansätze zur Verbesserung der Kooperation beobachten. Für die Phase der frühen Kindheit sind nach dem englischen Vorbild der "Early Excellence Center" schon in mehreren Regionen Einrichtungen entstanden, die die Kooperation der unterschiedlichen Ressorts (Bildung, Jugend, Gesundheit, Soziales) und vor allem die Arbeit der Einrichtungen mit den Familien verbessern wollen. Zu verweisen ist auch auf Frühwarnsysteme mit Blick auf Verwahrlosungen und Kindesmisshandlungen.
Die Einrichtungen selbst, Kindertagesstätten, Schulen u.a. müssen als Institutionen in die Lage versetzt werden, für die pädagogische Förderung und optimale Entfaltung ihrer Kinder und Jugendlichen mehr Verantwortung zu übernehmen. Dafür benötigen die Einrichtungen ein Höchstmaß an Entscheidungskompetenzen für die Gestaltung ihres pädagogischen Angebotes und entsprechende Unterstützung. Die Zuständigkeit für das pädagogische und das nicht-pädagogische Personal, d.h. zunehmend für SchulsozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen, muss so geregelt sein, dass eine optimale Zusammenarbeit gewährleistet ist. Zielvereinbarungen und Bildungsverträge können Instrumente sein, mit denen Verantwortungsstrukturen und Zuständigkeiten klarer definiert werden. Durch Lern- und Bildungsverträge sollte insbesondere die Kooperation von Lehrkräften, ErzieherInnen, Eltern sowie Schülerinnen und Schülern verbessert und auch die zu erreichenden Ziele und die gegenseitigen Verantwortlichkeiten verbindlich festgelegt werden.
Unbeschadet der Zuständigkeit und Gesamtverantwortung des Landes für die Rahmenvorgaben, allgemeinen Erziehungsziele, Rahmenpläne, Strukturvorgaben, wie auch die Sicherung der Qualität von Schulen, müssen in der Region die Entscheidungen über die Organisation des Bildungsangebotes möglich sein. Dort müssen Kooperationen zwischen den Bildungseinrichtungen und zwischen ihnen und ihren Partnern unterstützt werden - immer mit der Zielsetzung, alle Kinder und Jugendlichen optimal zu fördern.
Dafür bedarf es institutioneller Koordinierung: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfehlen die Einrichtung regionaler Bildungsbüros, wie sie sich in einzelnen Regionen – insbesondere in Nordrhein-Westfalen und in Pilotregionen wie Freiburg in Baden-Württemberg – schon als hilfreich erwiesen haben. Die regionalen Steuergruppen, in denen vor allem Vertreterinnen und Vertreter von Land und Kommunen aktiv sind, sorgen für die Festlegung und Abstimmung eines regionalen Leitbildes, aus dem die Prioritäten für verbindliche Handlungspläne gemeinsam mit den Bildungsakteuren der Region abgeleitet werden.
Insbesondere müssen die Budgets, die für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zur Verfügung stehen, in der Region gemeinsam und möglichst flexibel bewirtschaftet werden können. In diese Budgets fließen sowohl Landes- wie kommunale Mittel. Für bestimmte bildungspolitische Ziele und Erfordernisse, z.B. die besondere Förderung von Risikogruppen, müssen zielgerichtet zusätzliche Landes- wie Bundesmittel bereitgestellt werden.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern alle Beteiligten auf, in den Regionen das bürgerschaftliche Engagement zu nutzen und zu stärken. Bündnisse und soziale Netzwerke, die von Schulen mit Partnern aus dem regionalen und gesellschaftlichen Umfeld geschlossen werden, bieten zusätzlich Unterstützung für Kinder und Jugendliche. Hierzu gehören Partnerschaften mit Betrieben, mit sozialen und kulturellen Einrichtungen, mit der Jugendhilfe und der Arbeitsagentur. Dazu gehören auch intensive Kooperationen mit Bürgerinnen und Bürgern vor Ort, z.B. durch Lese- und Lernpatenschaften und Mentoringprogramme. Bürgerschaftliches Engagement zieht in der Regel Menschen mit höheren Bildungsabschlüssen an. Diese in Regionen mit schwächerer Sozialstruktur einzubinden, kann integrativ wirken und helfen, soziale Disparitäten zu verringern. Zudem können regionale Netzwerke auch dazu beitragen, Verantwortungsstrukturen herauszubilden, die die Eigenaktivität der Akteure stärken. So entwickeln sich Kitas und Schulen zu den "ganzen Dörfern, die es braucht, um ein Kind zu erziehen".
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstützen zudem die Forderung nach einem Landesausbildungsförderungsgesetz für einkommensschwache Familien.
Schule machen mit motivierten und gut ausgebildeten ErzieherInnen und Lehrkräften!
Dringender Handlungsbedarf besteht bei der Ausbildung und Professionalisierung des Personals sowohl im frühkindlichen als auch im schulischen Bereich sowie in der beruflichen Ausbildung. Innerhalb der nächsten fünfzehn Jahre wird in Brandenburg voraussichtlich rund die Hälfte der derzeitigen Lehrkräfte an Schulen und ErzieherInnen von Kindertagesstätten in den Ruhestand gehen. Diese Lehrkräfte und ErzieherInnen sind durch pädagogisch, psychologisch, fachlich und fachdidaktisch qualifiziertes Personal zu ersetzen. Der Mangel an pädagogisch qualifizierten Lehrkräften gefährdet schon jetzt in einigen Teilen des Landes die Qualitätsentwicklung von Schule und Unterricht.
Das Land muss jetzt neu ausgebildete Lehrkräfte einstellen und an das Land Brandenburg binden. Um im Wettbewerb der Länder mithalten zu können, sind dabei die Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Wir benötigen eine umfassende Dienstrechts- und Besoldungsreform. Die Dauer der LehrerInnenausbildung muss vereinheitlicht werden, Unterschiede nach Lehrämtern (z.B. Primarstufe oder Sek.II) sind nicht gerechtfertigt. Die Bezahlung von Lehrkräften ist anzugleichen, es sind neue Strategien einzuschlagen, um den ErzieherInnen- und LehrerInnenberuf attraktiv auszugestalten. Die Bezahlung von Schulleitungen kann sich je nach Größe der Schule unterscheiden, nicht jedoch aufgrund des unterschiedlichen Status der Schulform. Die gewachsenen Anforderungen an Erzieher und Erzieherinnen erfordern ebenso eine größere gesellschaftliche Anerkennung und eine insgesamt bessere und angemessenere Bezahlung.


Schulen in freier Trägerschaft – Förderung einer vielfältigen Schullandschaft


Schulen in freier Trägerschaft erfreuen sich in Brandenburg zunehmender Beliebtheit. Sie bereichern die Schullandschaft. Nicht selten gehen von ihnen durch reformpädagogische Unterrichtsmodelle Impulse für andere Schulen aus.
Unser Ziel sind bessere Schulen in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft. Das staatliche Schulwesen muss sich einem permanenten Wettbewerb mit den freien Schulen stellen. Diesen können die staatlichen Schulen nur mit qualifizierten und motivierten Lehrkräften bestehen. Schulen in freier Trägerschaft müssen durch Zuschüsse finanziell abgesichert werden. Die Personalkostenzuschüsse für
freie Schulen dürfen nicht weiter abgesenkt werden. Wir begrüßen es, dass Schulen in freier Trägerschaft Kindern aus sozial schwachen Familien durch Gebührenfreiheit den Zugang zu diesen Schulen ermöglichen.
Kinder und Jugendliche mit Behinderungen – Eingliedern statt ausgrenzen!
Das gemeinsame Leben und Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung stellt in Brandenburg noch immer eine Seltenheit dar. Demgegenüber sind die Zahlen der Schüler und Schülerinnen, die in Förderschulen unterrichtet werden, angestiegen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Brandenburg fordern deshalb: Mehr Integration wagen! Kinder mit und ohne Behinderung müssen von Anfang an gemeinsam und unter einem Dach spielen und später unterrichtet werden. Nur durch direkten sozialen Kontakt können Kinder für Menschen mit Beeinträchtigungen sensibilisiert werden. Berührungsängste werden so nach und nach abgebaut oder keimen erst gar nicht mehr auf.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen sich für eine inklusive Pädagogik anstatt des kostspieligen Nebeneinanders von Sonder- und Regelschulsystem ein. Als erstes gilt es, eigenständige Förderschulen mit dem Schwerpunkt „Lernen“ schrittweise aufzulösen oder in integrative Schulen umzuwandeln. Eine veränderte Aus- und Fortbildung der PädagogInnen, die für alle Lehrkräfte auch die Vermittlung sonderpädagogischer Kompetenzen beinhaltet, ist dafür Voraussetzung. Die heil- bzw. sonderpädagogische Kompetenz gehört an die Regelschule und muss dort dauerhaft verankert werden. Durch die flexible Eingangsstufe und den Ausbau der sonderpädagogischen Kompetenz an allen Schulen in Verbindung mit förderdiagnostischer Lernbegleitung werden Förderschulen zugunsten einer inklusiven Pädagogik verzichtbar.
Das Konzept der gemeinsamen Schule ist eine Chance, allen Kindern am Ort ein attraktives Schulangebot zu machen und Schulen am Ort zu erhalten. Dabei bedeutet Inklusion nicht die Eingliederung von Menschen mit Behinderungen in die von Nichtbehinderten geprägte Gesellschaft, sondern die Gestaltung eines solidarischen Miteinanders und Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten. Eine Veränderung des Bildungssystems in Richtung Inklusion ist ein wichtiger Schritt zu einer Gesellschaft, in der tatsächlich alle einbezogen sind und teilhaben.
Jungen – Gezielt fördern statt vernachlässigen!
Die Orientierung an gesellschaftlich geprägten Geschlechterrollen spielt in der Kindererziehung noch immer eine entscheidende Rolle. Mädchen- und Jungenarbeit soll jungen Menschen helfen, sich mit den an sie gerichteten Erwartungen und ihren eigenen Erfahrungen im Zusammenhang mit ihrer jeweiligen Geschlechterrolle auseinander zu setzen und ein gestärktes Selbstbewusstsein zu entwickeln.
Mädchenarbeit hat in der Vergangenheit eine starke Förderung erfahren und Erfolge erzielt, wenngleich sie es bisher nicht geschafft hat, die Benachteiligung von Frauen in Berufsleben und Gesellschaft zu beheben. Für die Jungenarbeit wurde lange Zeit angenommen, dass sie überflüssig sei, da sich das vermeintlich starke Geschlecht von alleine durchsetzen könne. Ein Blick in die Schulen beweist jedoch: seit den Bildungsreformen der 1970er Jahre erzielen Mädchen und junge Frauen bessere Bildungsabschlüsse als Jungen. Die PISA-Testergebnisse haben gezeigt, dass Jungen bei der grundlegenden Lesekompetenz größere Schwierigkeiten haben als Mädchen. In vielen Kitas und schulischen Bereichen sind Jungen heute das benachteiligte Geschlecht, wie der jüngste Bericht des MBJS und PISA nachweisen. Auch diesem Umstand wollen wir Rechnung tragen. Mit sozialen Problemen haben überwiegend männliche Kinder und Jugendliche zu kämpfen. In Kindertagesstätten und Grundschulen gibt es so gut wie keine männlichen Vorbilder, der Kenntnisstand über die besonderen Bedürfnisse von Jungen ist gering.
Deshalb muss die vielerorts erfolgreiche Mädchenarbeit um eigenständige, von vor allem männlichen Sozialpädagogen durchgeführte Jungenarbeit ergänzt werden. Jungen- und mädchenpädagogische
Forderungen sind durch Änderungen im Kita- und Schulgesetz und in den pädagogischen Konzepten aller Kitas und Schulen angemessen zu berücksichtigen. Kulturelle Unterschiede in der Wahrnehmung von Geschlechterrollen müssen dabei besonders berücksichtigt werden.


Die Schule im Dorf lassen – Chancen nutzen, Qualität verbessern


In Brandenburg werden immer noch Grundschulen geschlossen. Dabei sind Grundschulen häufig der einzige noch verbliebene öffentliche Ort in den Gemeinden. Die mit der Konzentration der Schulstandorte verbundenen langen Fahrtwege zur nächsten Schule sind für Schüler, Schülerinnen und Eltern eine Belastung.
Während im Einzugsgebiet um Berlin Investitionen in Schulneubauten notwendig sind, geht es in den berlinfernen Regionen um Standortsicherung. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern die Aufrechterhaltung der lokalen Grundschule, wo immer dies möglich ist. In bevölkerungsarmen Gegenden ist die Einrichtung von Kleinstschulen mit jahrgangsübergreifendem Unterricht eine akzeptable Möglichkeit.
Um erhaltenswerte und perspektivisch benötigte Schulstandorte über den Tiefpunkt der Schülerzahlentwicklung hinaus bewahren zu können, halten BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zeitlich begrenzte Ausnahmeregelungen zur Absenkung der MindestschülerInnenzahl pro Klasse für richtig.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sprechen sich ausdrücklich gegen eine Mindestzahl von Klassenzügen für alle Schultypen aus und plädieren für eine Absenkung der MindestschülerInnenzahl pro Klasse auf 12. Eine geringere Anzahl von SchülerInnen darf nicht mit Verlust an Bildungsqualität einhergehen und muss dies auch nicht. Im Gegenteil: Kleinere Klassen erlauben es den LehrerInnen, gezielt auf die SchülerInnen einzugehen und ihre Stärken und Schwächen besser zu erkennen.


Migrationskinder – Bunt macht Schule!


Sprachförderung stellt ein wichtiges Konzept bei der Integration von Menschen mit anderen Muttersprachen dar. Förderprogramme müssen ausgebaut und ein flächendeckendes Angebot von der Kinderkrippe bis zur Oberstufe zur Verfügung gestellt werden. Sprachförderung in Deutsch muss koordiniert mit der Festigung der muttersprachlichen Kenntnisse erfolgen.
Die Förderung muttersprachlicher Kompetenz spielt eine herausragende Rolle, die es zuerst aller Orts anzuerkennen gilt. Nur die Fähigkeit, sich in ihrer Muttersprache ausdrücken zu können, erlaubt es Kindern, ihre Gedanken und Gefühle in Worte fassen. Negative Einschränkungen ergeben sich aus der Situation, mehrere Sprachen nur ungenügend zu beherrschen. Bleibt die Förderung muttersprachlicher Kompetenz aus, verschlechtern sich die Ausgangsbedingungen und die Bildungsentwicklung des Kindes wird gehemmt.
Die Einbindung der Eltern ist von oberster Dringlichkeit bei der Beratung zur schulischen Laufbahn und außerschulischen Förderung von Kindern aus Zuwandererfamilien. Außerdem müssen Mehrsprachigkeit und Multikulturalität bei der Ausbildung und Einstellung von LehrerInnen, SchulpsychologInnen und BerufsberaterInnen als Themenschwerpunkte noch stärker berücksichtigt werden.
Auch Kindern von Eltern ohne dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland ist der Schulbesuch zu ermöglichen.

 

Ausbildung schafft gute Perspektiven


Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt in Brandenburg bleibt auch in den nächsten Jahren angespannt. In Brandenburg ist Arbeitslosigkeit, gerade bei Jugendlichen, ein drängendes Problem. Nicht zuletzt
deshalb verlassen viele ausgebildete junge Brandenburger und vor allem Brandenburgerinnen unser Land. Damit verliert Brandenburg ein wichtiges Stück Zukunft.
Wichtiges Ziel bleibt, das duale System durch gleichwertige Angebote mit unterschiedlichen Kombinationen von betrieblichen, außerbetrieblichen und schulischen Lernorten zu ergänzen und damit unabhängiger von ökonomischen und demografischen Entwicklungen zu machen.
Für AbbrecherInnen von Bildungsgängen oder Ausbildungen benötigen wir ein Programm „Zweite Chance“, mit dem Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse nachgeholt werden können und den betroffenen Jugendlichen wieder eine Perspektive gegeben wird.
Die duale Ausbildung sollte in noch größerem Maße modular aufgebaut sein. Im Sinne lebenslangen Lernens können so Phasen der Ausbildung mit Phasen beruflicher Tätigkeit kombiniert werden, um mehr höherwertige Berufs- und Schulabschlüsse zu ermöglichen.


Für lebenslanges Lernen durch Weiterbildung


Lernen findet nicht mehr nur in einem klar abgegrenzten Lebensabschnitt statt, sondern ist ein andauernder Prozess. Deshalb wächst die Bedeutung der Weiterbildung in späteren Lebensphasen.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen eine öffentlich verantwortete Weiterbildungslandschaft entwickeln, die es jedem Menschen - unabhängig vom Einkommen - ermöglicht, an qualifizierten Weiterbildungsangeboten teilzunehmen. Ein Mehr an Weiterbildung kann aber nicht in erster Linie durch öffentliche Gelder erreicht werden. Wir müssen die Nachfrage nach Weiterbildung anregen und eine Weiterbildungskultur schaffen. Wichtig ist uns, dem unterschiedlichen Weiterbildungsverhalten von Frauen und Männern Rechnung zu tragen. Da diese Unterschiede in engem Zusammenhang mit geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung, Arbeitsmarktzugang, Betreuungstätigkeit und Einkommensunterschieden stehen, müssen sie bei der Gesetzgebung, der Weiterbildungsplanung und ihrer Umsetzung berücksichtigt werden. Es muss selbstverständlich werden, dass jede und jeder das eigene Lernen als einen Wert und einen Vorteil ansieht - für die persönliche Entwicklung, für die Mitgestaltung der Gesellschaft, für den Beruf. Hierzu wollen wir unterstützende Maßnahmen entwickeln.
Die Weiterbildungsträger sind gefordert, einerseits ihre spezifischen Profile zu schärfen und ihre Stärken herauszuarbeiten, andererseits durch Kooperationen Synergien zu nutzen, um die Weiterbildungslandschaft auf Dauer zu erhalten.
Grenzen überschreitende Bildung - Grundlage europäischer Öffnung
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstützen den fachlichen wie persönlichen Austausch in Schule, beruflicher Bildung und Hochschule, insbesondere auch zwischen den Bildungseinrichtungen auf europäischer Ebene. Bildungsabschlüsse müssen gegenseitig anerkannt werden.
Das Angebot zum Erlernen europäischer und außereuropäischer Fremdsprachen in den Bildungseinrichtungen in Brandenburg soll allgemein erweitert werden. Um den europäischen Gedanken weiter zu stärken, wollen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN darüber hinaus die Europaschulen in Brandenburg unterstützen und ihre Arbeit besonders fördern.

Kategorie

Bildung