Atomprogramm der Republik Polen verstößt gegen europäisches Recht

Ein von den bündnisgrünen Landtagsfraktionen in Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern beauftragtes Gutachten zu den polnischen Atomkraftplänen deckt erhebliche inhaltliche Fehler und Lücken sowie Verstöße gegen europäisches Recht auf. Unsere Landtagsfraktion hat Beschwerde bei der Europäischen Kommission angekündigt.

28.11.11 –

Zur derzeit laufenden „Strategischen Umweltprüfung" (SUP)" für das geplante Atomkraftprogramm der Republik Polen äußerst sich der Vorsitzende der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen  im Brandenburger Landtag Axel Vogel  wie folgt:


Das polnische Parlament hat im Mai dieses Jahres den Einstieg in die Atomenergie beschlossen. 28 Standorte wurden auf ihre Tauglichkeit für Atommeiler untersucht; der favorisierte Standort für das erste polnische Atomkraftwerk ist Zarnowiec, nahe Danzig. Alle in Frage kommenden polnischen Standorte liegen deutlich näher an Deutschland, als der über 1.300 km entfernte 1986 havarierte Atommeiler Tschernobyl.


Im Rahmen des aktuell laufenden Konsultationsverfahrens zum polnischen Kernenergieprogramm haben die bündnisgrünen Landtagsfraktionen von Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern eine gutachterliche Stellungnahme erarbeiten lassen. Die durch uns beauftragte Rechtsanwältin Frau Dr. Cornelia Ziehm hat im Ergebnis der Auswertung des polnischen Atomprogramms und insbesondere des Umweltberichtes in ihrer Stellungnahme schwerwiegende inhaltliche Fehler und Lücken sowie Verstöße gegen europäisches Recht aufgezeigt.


Das betrifft insbesondere folgende Punkte:


Die Risiken der Kernenergie werden teils unzutreffend bzw. in hohem Maße unvollständig beschrieben. So wird davon ausgegangen, dass „(...) schwerwiegende Havarien einmal pro 1 Million Jahre passieren" und sich im Falle eines GAUs notwendige Maßnahmen auf „(...) z. B. Verabreichung von Kaliumiodidtabletten innerhalb eines geringen Radius von ca. 3 km je nach örtlichen Witterungsverhältnissen" beschränken – was nicht zuletzt mit den Atomkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima widerlegt ist. Die Anforderung der SUP-Richtlinie einer entsprechend substanziellen Alternativenprüfung zum Atomprogramm im Hinblick auf Energieeffizienz und den Ausbau der erneuerbaren Energien wurde nicht erfüllt.


Das EU-Recht sieht vor, dass die grenzüberschreitenden Konsultationen im Rahmen der Strategischen Umweltprüfung vorab erfolgen und deren Ergebnisse bei der Planung berücksichtigt werden müssen. Die maßgeblichen Entscheidungen über die Einführung der Kernenergie sind in Polen jedoch bereits gefallen.
Die Art und Weise, wie die Kernenergie in Polen eingeführt werden soll, widerspricht der EU-Richtlinie zu gemeinsamen Vorschriften für die Liberalisierung des Elektrizitätsbinnenmarkts. So soll der Investor des ersten Kernkraftwerkes laut Kernenergieprogramm eine Gesellschaft mit direktem bzw. indirektem Beteiligungsanteil des Fiskus sein. Hierfür wurde der größte polnische Energieversorger PGE/Polnische Energiegruppe S.A. (poln. AG) bestimmt. Dem festgelegten Investor soll zudem „eine starke Marktposition ermöglicht" werden.


Noch bis zum 4. Januar 2012 haben Bürgerinnen und Bürger sowie die Bundes- und Landesregierungen benachbarter Länder die Möglichkeit, ihre Informations- und Beteiligungsrechte am SUP-Verfahren wahrzunehmen.


Vor diesem Hintergrund fordern wir die Bundes- und Landesregierungen auf:

Die Verfahrensfehler deutlich zu machen,

ein Beschwerdeverfahren bei der EU-Kommission anzustreben und

die polnische Regierung beim Ausbau erneuerbarer Energien und der Hebung von Effizienzpotentialen zu unterstützen

Die bündnisgrünen Landtagsfraktionen von Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern werden sich aufgrund der benannten Mängel an die Zentralregierung der Republik Polen sowie an die EU-Kommission wenden.

Stellungnahme im Rahmen der grenzüberschreitenden Konsultation zum polnischen Kernenergieprogramm von Rechtsanwältin Dr. Cornelia Ziehm (Stand: November 2011)

Kategorie

Atomausstieg | Energie