Kommunalpolitische Erklärung

Beschluss des LandessprecherInnenrates vom 10. Mai 2003 in Potsdam

BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN stehen für soziale und ökologische Verantwortung, für Demokratie und Bürgerbeteiligung sowie für ein friedliches tolerantes Miteinander. Unsere Politik wird von den Zielen der Generationengerechtigkeit, der Geschlechtergerechtigkeit, der gleichberechtigten Teilhabe an Bildung und Arbeit sowie von Solidarität mit den Schwachen geleitet.

Entstanden aus den vielfältigen Bürgerbewegungen in Ost- und Westdeutschland sind wir davon überzeugt, dass nur mit dem aktiven Einbeziehen der hier lebenden Menschen unsere Politik vor Ort wirkungsvoll umgesetzt werden kann.

Brandenburgs Kommunen befinden sich im Umbruch. Die Handlungsmöglichkeiten der Kommunen werden einerseits durch die Gemeindestrukturreform einschneidend verändert - zum Teil gegen den Willen der Kommunen - und anderseits durch die finanzielle Krise der Städte und Gemeinden in einem bisher noch nicht da gewesenen Ausmaß eingeschränkt.

Demokratie leben

Durch gelebte Demokratie können sich Bürgerinnen und Bürger erfolgreich an der Gestaltung ihrer Gemeinde beteiligen. BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN setzen sich dafür ein, dass Bürgerinnen und Bürger verstärkt in die Planungsprozesse einbezogen und an den Entscheidungen beteiligt werden.

Lokale Agenda-Prozesse, die sich nachhaltigen Entscheidungsprozessen in den Kommunen widmen oder auch öffentliche Beratungen über die Einnahmen und Ausgaben der Städte und Gemeinden in sogenannten Bürgerhaushalten sind hierbei geeignete Wege. Wir bauen auf das ehrenamtliche Engagement der BürgerInnen und dessen staatliche Anerkennung.

BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN fordern eine effiziente Verwaltung mit transparenten Entscheidungen. Nachvollziehbare Entscheidungen beugen Filz und Korruption vor. Wir wollen durch frühzeitige Information und Beteiligung bei Planungen, Befragungen und Versammlungen die Bürgergesellschaft mit Leben erfüllen und eine lebendige und demokratische Kommunalpolitik ermöglichen.

Wir setzen uns dafür ein, dass Informationen über kommunale Planungen und Entscheidungen, Dienstleistungen und Formulare den BürgerInnen über das Internet (e-government) schnell und kostengünstig zugänglich gemacht werden. Gerade bei den räumlich größer gewordenen Gemeinden ist die Einrichtung von dezentralen Bürgerbüros mit einem umfassenden Dienstleistungsangebot sinnvoll. Eines unserer zentralen Anliegen bleibt, Kinder und Jugendliche an sie betreffenden Angelegenheiten zu beteiligen. Wir setzen dabei auf einen Mix von verschiedenen Beteiligungsformen, von der projektbezogenen Beteiligung bis hin zu Kinder- und Jugendparlamenten.

Ökologisch handeln

Die Landschaft Brandenburgs ist ein großes Kapital für unser Land. Dieses gilt es zu bewahren. Deshalb setzen wir uns für den Schutz der Natur, insbesondere für die Pflege und Entwicklung der als Schutzgebiet ausgewiesenen Flächen, den Erhalt der Alleen und eine ökologisch orientierte Hochwasserschutzpolitik ein. Weil Wasser und Boden zu den kostbarsten Gütern gehören, sind Eindämmung des Flächenverbrauchs und Flächenrecycling (Konversion und Entsiegelung) Ziele unserer Arbeit. Sanfter Tourismus, regionale Verarbeitung und Vermarktung, naturnaher Landbau und der verstärkte Einsatz erneuerbarer Energien schonen nicht nur die Landschaft und machen unser Land attraktiver, sie sind auch geeignete Mittel, um die regionale Wirtschaftskraft zu stärken. Sie sichern unseren Landwirten eine eigene, kontinuierliche Einnahmequelle.

Zur Ausschöpfung möglichst aller Potentiale müssen die Landkreise verstärkt zusammenarbeiten.

Lokaler Agenda Prozess

Die im Agenda-Prozess stattfindende Zusammenarbeit zwischen kommunaler Verwaltung und den EinwohnerInnen ist eine gute Möglichkeit, Ressourcen zu schützen und gleichzeitig das Zusammenleben in den Gemeinden zu stärken. Unser Ziel ist, diese Form der Bürgerbeteiligung zu stärken und in möglichst allen Kommunen Brandenburgs zu etablieren.

Neben ökologischen Zielstellungen gehören für uns Geschlechtergerechtigkeit und die Einbeziehung der Minderheiten zu wesentlichen Aspekten der lokalen Agenda. Die Akteure der lokalen Agenda sollen durch Antrags- und Rederecht in den kommunalen Parlamenten gestärkt werden.

Durch die Förderung von Städtepartnerschaften wollen BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN gleichzeitig die Verantwortung des persönlichen Handelns über die eigene Region hinaus erlebbar machen.

Sparen ja - aber nicht ohne Visionen

Die Finanzlage der meisten Städte und Gemeinden ist - ebenso wie die des Landes -  katastrophal. Neben hausgemachten Fehlern ist es vor allem die schwache Wirtschaftskraft, die kreative Lösungen verlangt. Wir werden uns im Zuge der Gemeindefinanzreform dafür einsetzen, dass die Kommunen eine bessere und verlässliche Finanzausstattung erhalten. Die Besonderheiten der ostdeutschen Wirtschaft müssen dabei berücksichtigt werden.

BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN wollen sich auch gerade bei der schlechten Finanzlage in den Kommunen weiter für eine Politik einsetzen, die aus mehr als nur Sparen besteht. Dazu gehört, in der Ausgabenpolitik die regionale Wirtschaftskraft zu stärken, freiwilliges Engagement in den Gemeinden zu fördern, freie Träger zu etablieren und die Chancen der Kommunalverfas sung mit den Experimentierklauseln zu nutzen. Denn auch in der Finanzpolitik muss das Prinzip der Nachhaltigkeit und der Generationengerechtigkeit gelten.

Die direkte Beteiligung der BürgerInnen an den Entscheidungen über die Gemeindefinanzen nach dem Modell eines Bürgerhaushaltes, so wie in der brasilianischen Gemeinde Porto Alegre schon praktiziert, wird von uns befürwortet.

Die Schuldenfalle aus einer verfehlten Abwasserpolitik ist noch immer nicht gelöst. Wir fordern bei allen Neuinvestitionen einen exakten Variantenvergleich. Nur die ökologisch und ökonomisch beste Variante darf gefördert werden. Die Förderung für dezentrale (Klein-)Kläranlagen ist zu verbessern bzw. wieder zu gewähren. Die bestehenden Zweckverbände sollten finanziell saniert und effektiv gestaltet werden. BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN bleiben bei ihrer Politik der fairen Gebühren.

Wissenschaft und lokale Wirtschaft vernetzen

Ansiedlungskonkurrenz zu Berlin führt nur zu weiterer Verschwendung von Steuermitteln. Die Zukunft der Brandenburger Kommunen liegt in der Entwicklung ihrer Potentiale und Förderung von regional verankerter Wirtschaft. Dazu gehören neben der Stärkung des Handwerks und der lokalen Dienstleistungen durch ortsnahe Beschaffung und Auftragsvergabe der stärkere Einsatz von erneuerbaren Energien und die naturnahe, bzw. ökologische Landbewirtschaftung. Auch die Förderung eines naturverträglichen Tourismus sowie Pflege und Sicherung der Kulturlandschaft sind für BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN wichtige Aspekte zur Unterstützung der örtlichen Wirtschaftskraft.

Dezentrale Netzwerke von Wissenschaft, Unternehmen und kommunalen Entscheidungsträgern zur Entwicklung der regionalen Wirtschaftskraft wollen wir aktiv unterstützen. Zu den Aufgaben der Gemeinden gehört es auch, die Rahmenbedingungen für Unternehmensgründungen zu verbessern.

Uns ist bewusst, dass die Arbeitslosigkeit nicht mit kommunalen Maßnahmen behoben werden kann. Dennoch wollen wir alle Möglichkeiten für lokale Beschäftigungsinitiativen und gemeinwohlorientierte Arbeiten nutzen, um Menschen aus der Arbeitslosigkeit heraus zu führen.

Kultur, Sport und Bildung fördern

Kultur, Sport und Bildung sind wesentliche Elemente des kommunalen Lebens. Dazu gehören Kindertagesstätten und Schulen genauso wie Museen, Theater, Musikschulen und Vereine.

In der Bildungspolitik wollen wir die Chancengleichheit mit einer neuen Lernkultur fördern, die in selbstständigen Schulen auch soziale und emotionale Kompetenz erlernen lässt. Hier sind insbesondere Ganztagsbetreuung und individuelle Förderung in einem durchlässigen und ortsnahen Bildungssystem zu gewährleisten. Wir setzen uns ebenfalls für eine einheitliche Schulträgerschaft der weiterführenden Schulen bei den Landkreisen ein.

Kultur ist für BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN keine wirklich freiwillige Aufgabe sondern wesentlich für das gemeinschaftliche Leben. Kulturfördernde Vereine wie auch etablierte Kultureinrichtungen wollen wir daher weiterhin unterstützen und gemeinsam Wege suchen, sie zu erhalten und effizient zu bewirtschaften.

Im Bereich des Sports muss einerseits eine Optimierung der vorhandenen Ressourcen von Sportplätzen, Sporthallen und Personal, andererseits ein bedarfsgerechter Ausbau bzw. Umbau von Sportstätten erfolgen. Die Vereine müssen mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen bei den Planungen stärker eingebunden werden. Berücksichtigt werden muss hierbei gleichermaßen der Breiten- und der Leistungssport.

Jugendhilfe stärken

Wir setzen uns für den Aufbau von berufsvorbereitenden Einrichtungen ein. Hierzu gehören Jugendaufbauwerk, Jugendwerkstätten oder anderen Einrichtungen, die noch nicht ausbildungs- oder berufsfähige Jugendliche betreuen und zur Ausbildungsreife führen, um soziale Brennpunkte zu vermeiden.

Sozial auffälligem Verhalten von Kindern und Jugendlichen wollen wir in erster Linie durch Prävention begegnen. Wichtiger Baustein der Prävention sind gute Sport- und Freizeitangebote vor Ort, die von den Kommunen und den von ihnen unterstützten freien Trägern organisiert werden. Wir unterstützen die enge Zusammenarbeit zwischen Eltern, Schule und Kommune vor Ort.

Kommunen nachhaltig entwickeln

Dem immer noch anhaltenden Trend zum Bauen auf der grünen Wiese wollen BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN mit einer Revitalisierung der Ortszentren begegnen. Dazu sollen auch besonders Konversionsflächen wie Brachflächen im Zuge eines Flächenrecyclings genutzt werden.

Abwanderung und Geburtenrückgang führen zu Wohnungsleerstand insbesondere in den Regionen außerhalb des Berliner Umlandes. Durch einen nachhaltigen Stadtumbau können Städte und Gemeinden den Abriss und Rückbau von Gebäuden, Wohnumfeldverbesserungen und eine umweltgerechte Siedlungsflächenentwicklung verbinden. Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger muss dabei sicher gestellt werden, um die Akzeptanz der Maßnahmen und ihren Erfolg zu gewährleisten.

Bebauungspläne für Neubaugebiete sollen ökologischen Standards wie z.B. Ausrichtung der Wohnhäuser nach der Sonne sowie die Verwendung umweltverträglicher Materialien genügen. Der Altbaubestand sollte mit Hilfe der Förderung, die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bund mit dem Energieeinspargesetz durchgesetzt haben, möglichst bald saniert werden. Das verschafft der örtlichen Bauwirtschaft Aufträge und Arbeit, mindert den Energieverbrauch und trägt somit zum Klimaschutz bei.

Neben dem Ausbau ökologisch nachhaltiger Infrastrukturen, die nicht nur von mobilen VerkehrsteilnehmerInnen genutzt werden können, ist auch die Barrierefreiheit und gute Erreichbarkeit von Ämtern und Behörden ein wichtiges Ziel der bündnisgrünen Politik. In den ländlichen Gebieten können Bürgerbüros die Nähe zur Verwaltung schaffen

Vorfahrt für den öffentlichen Verkehr

BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN sehen den öffentlichen Nahverkehr als wesentlichen Beitrag zur Lebensqualität in den Gemeinden. Dazu gehört eine Grundversorgung mit Bussen oder Bahnen in einem aufeinander abgestimmten Taktverkehr. In den ländlichen Gebieten können Bestelldienste und die Förderung von Fahrgemeinschaften als Alternativen eingerichtet werden. Beim Vergabeverfahren dieser Dienste sollten auch ökologische Kriterien, wie z.B. die Bevorzugung von gas- oder biodieselbetriebenen Fahrzeugen, berücksichtigt werden. Bei der Verkehrs- und Angebotsplanung im öffentlichen Nahverkehr sollen alle Nutzergruppen beteiligt werden.

Radfahrer und Fußgänger müssen weiterhin in ihren Mobilitätsanforderungen berücksichtigt und unterstützt werden. Zur Entlastung des innerörtlichen Verkehrs setzen wir uns vorrangig für ein attraktives Radwegenetz ein und kommen damit den Bedürfnissen vieler BrandenburgerInnen entgegen. Um den Umstieg der PendlerInnen vom Auto auf den öffentlichen Nahverkehr zu erleichtern, braucht es neben einer Optimierung des Regionalbahnangebotes auch gesicherte Abstellplätze für Fahrräder an den Bahnhöfen.

Gleichzeitig gilt es, besonders belastete Städte und Dörfer auch mit baulichen Maßnahmen vom Verkehr zu entlasten. Dabei sollten jedoch nicht mit großräumigen Ortsumgehungen wertvolle Naturflächen in Anspruch genommen, sondern möglichst Verkehrstrassen gebündelt werden.

Großräumige Umgehungsstraßen zerstören in der Regeln nicht nur wertvollen Naturraum und engen die Spielräume öffentlicher Haushalte drastisch ein, sondern bringen meist zusätzlichen Verkehr mit sich.

Wesentlich ist für BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN die Belastung der EinwohnerInnen wie der Umwelt durch Lärm und Abgase zu mindern. Wir werden hier die kommunalen Parlamente nutzen, um berechtigte Forderungen an das Land und den Bund bei der Erstellung von Verkehrsentwicklungsplänen, wie der Entwicklung von Richtlinien zu übermitteln.

Toleranz durch Miteinander leben

Die vielen lokalen Initiativen und Bündnisse gegen Rechtsradikalismus und für Zivilcourage sind ermutigend und verdienen unsere größtmögliche Unterstützung. Die Kommunen können selbst aktiv werden: Mit interkulturellen Trainings schon im Kindergarten und Fortbildungsmaßnahmen für das pädagogische Personal. Damit tragen wir dazu bei, dass sich sowohl latent vorhandener Rassismus als auch rechtsradikale Gewalt in unseren Städten und Gemeinden nicht zu einer ernsthaften Bedrohung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt entwickeln können.

BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN setzen sich für die Gleichstellung behinderter Menschen ein und treten öffentlich gegen die Diskriminierung und Ungleichbehandlung auf.

Europa vor Augen

Der Beitritt Polens zur Europäischen Union ist auch für Brandenburgs Städte und Gemeinden eine Chance, ihre Kontakte ins Nachbarland zu intensivieren, bestehende Partnerschaften auszubauen und neue Beziehungen zu knüpfen. Brandenburgs Städte, Gemeinden und Landkreise müssen die Möglichkeiten, die sich aus dem polnischen EU-Beitritt ergeben, offensiv nutzen. Insbesondere für die Regionen an der Oder bietet die enge Kooperation neue Möglichkeiten für ihre wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung.

Politik in Brandenburg gestalten

BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN in Brandenburg sind aktiv in der Kommunalpolitik. Wir wollen auch bei den anstehenden Kommunalwahlen unsere Ideen und unsere Arbeitskraft einbringen. Wir - das sind Menschen, die in Brandenburg geboren sind oder hier ihre Wahlheimat gefunden haben. Menschen, die die vielfältigsten Erfahrungen für die politische Arbeit anzubieten haben.

Wir wollen mit den Bürgerinnen und Bürgern, mit Ihnen, über die besten Ideen streiten, wir wollen Sie aber auch ermutigen, an den notwendigen Veränderungen mitzuwirken.

 

zurück

TERMINE

LAG Bildung

Online-Treffen am jeweils zweiten Dienstag im Monat. Interessierte wenden sich gern an die Sprecher*innen für den Zugangslink (lag.bildung[at]gruene-brandenburg.de).  [...]

Mehr