An die Mitglieder der Landesregierung Brandenburg
An die Mitglieder des Landtages Brandenburg
Appell: Brandenburg braucht endlich ein Landesantidiskriminierungsgesetz –für Gerechtigkeit, Demokratie und Schutz für alle
Sehr geehrte Mitglieder der Landesregierung, sehr geehrte Abgeordnete, als Bündnisgrüne Brandenburg fordern wir Sie mit Unterstützung der Zivilgesellschaft auf:
Brandenburg braucht endlich ein Landesantidiskriminierungsgesetz!
Wir brauchen dieses Gesetz, weil es ein entscheidender Baustein ist, Menschen wirksam vor Diskriminierung zu schützen und ihnen Mut zu geben, für ihre Rechte einzutreten.
Demokratie lebt von Aushandlungsprozessen – und davon, dass gerade diejenigen, die in der Minderheit sind, eine echte Chance haben, gehört zu werden und ihr Recht durchzusetzen.
Die Umsetzung europäischer Vorgaben verlangt einen umfassenden Diskriminierungsschutz. Derzeit besteht in Brandenburg – wie in vielen Bundesländern – eine rechtliche Schutzlücke, weil das Bundesrecht (AGG – Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz) nicht ausreicht.
1. Warum das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nicht ausreicht
Das AGG schützt Menschen nur in bestimmten Lebensbereichen – vor allem am Arbeitsplatz und bei zivilrechtlichen Verträgen.
Doch Diskriminierung passiert auch in Schulen, Behörden, Polizei, Jugendämtern, Hochschulen und der Verwaltung – überall dort, wo das AGG nicht greift.
Ein Beispiel:
Wer in einer Schule, einer Behörde oder einer Polizeikontrolle diskriminiert wird, kann sich nicht auf das AGG berufen. Es fehlt an Beschwerdewegen, Zuständigkeiten und rechtlicher Verbindlichkeit, um in Diskriminierungsfällen Schadenersatz und Entschädigung einfordern zu können.
Zudem schützt das AGG nur bestimmte Merkmale – Familienstand oder Staatsangehörigkeit sind dort nicht ausdrücklich erwähnt.
Auch Mehrfachdiskriminierung / Intersektionalität (z. B. Sexismus und Rassismus gleichzeitig) wird nicht berücksichtigt.
Ein Landesantidiskriminierungsgesetz kann diese Lücken schließen:
- durch klar geregelten Schutz vor Diskriminierung durch öffentliche Stellen
- durch unabhängige Ombuds- und Beschwerdestellen
- durch rechtliche Handlungsmöglichkeiten für Betroffene.
2. Berlin zeigt, dass es funktioniert
Berlin hat seit fünf Jahren ein Landesantidiskriminierungsgesetz – und beweist, dass es wirkt.
Das Berliner LADG hat Betroffenen erstmals ermöglicht, Diskriminierung durch öffentliche Stellen rechtlich anzufechten und Schadenersatz oder Entschädigung zu verlangen.
Es hat außerdem:
- die Verwaltung für Diskriminierung sensibilisiert
- Fortbildungsstrukturen aufgebaut
- eine unabhängige LADG-Ombudsstelle geschaffen, welche die Arbeit der Antidiskriminierungsbeauftragten gestärkt. Sie kann schlichten, Stellungnahmen einholen und Handlungsempfehlungen an Betroffene geben.
Die befürchtete „Klage-Welle“ blieb aus – stattdessen hat sich das Gesetz als praktikables, gerechtes und zukunftsweisendes Modell erwiesen.
Brandenburg kann von diesen Erfahrungen profitieren und ein eigenes, an die brandenburgische Realität angepasstes Gesetz entwickeln.
3. Diskriminierung in Brandenburg ist real – und muss benannt werden
Hass und Hetze sowie Gewalt gegen Frauen, queere Personen und Gleichstellungsinitiativen nehmen auch in Brandenburg zu. Das betrifft Bildungseinrichtungen, Vereine, Kommunalpolitik, gleichstellungsrelevante Veranstaltungen und Online-Räume gleichermaßen.
Ein Landesgesetz muss strukturelle Diskriminierung anerkennen und klar bekämpfen – durch Aufklärung, Schutzkonzepte und politische Haltung.
4. Bildung ist Prävention
Wir fordern verbindliche Bildungsarbeit gegen Diskriminierung:
- Pflichtfortbildungen für Lehrkräfte, Schulleitungen und Verwaltungspersonal zu Diskriminierungssensibilität, Geschlechtergerechtigkeit, Intersektionalität und Diversität.
- Aufklärungsarbeit für Schüler*innen über Diskriminierungsformen, um Empathie und Solidarität zu fördern.
Aufklärung ist kein Luxus – sie ist eine Investition in die Demokratie.
5. Recht auf Unterstützung und Beratung
Betroffene müssen sich wehren können. Dafür braucht es ein gesetzlich garantiertes Recht auf unabhängige Beratung durch Ombudsstellen, NGOs (unabhängige Nicht-Regierungs-Organisationen) oder Antidiskriminierungsbüros.
Diese müssen dauerhaft finanziert, barrierefrei und landesweit erreichbar sein – besonders auch in den ländlichen Regionen Brandenburgs.
6. Alle Diskriminierungsdimensionen sichtbar machen
Das Berliner LADG war ein wichtiger Schritt. Dem dort im Vergleich zum AGG erweiterten Katalog liegen weitere schützende Diskriminierungsmerkmale zugrunde, wie:
- sozialer Status
- chronische Krankheiten
Brandenburg kann und sollte weitergehen.
Wir fordern, dass zusätzlich geschützt werden:
- Staatsangehörigkeit/Nationalität (entsprechend Brandenburger
Verfassung Art. 12) - Familienstand
- Gewicht (Schutz vor Gewichtsdiskriminierung)
Diese Merkmale spiegeln reale Erfahrungen vieler Menschen wider – Diese haben wir seitens der Zivilgesellschaft in einer Veranstaltung „Braucht Brandenburg ein Antidiskriminierungsgesetz?“ eingeholt. Diese Lebensrealitäten gehören ins Gesetz.
7. Zukunftsfähig und offen denken
Ein zukunftsfähiges Gesetz muss mit der Gesellschaft wachsen können.
Ein offener Katalog ermöglicht es, neue Diskriminierungsformen ohne langwierige Gesetzesänderungen aufzunehmen. So bleibt Brandenburg handlungsfähig und gerecht.
8. Barrierefreiheit ist ein Menschenrecht
Barrierefreiheit ist kein „Nice-to-Have“. Sie ist eine Grundvoraussetzung für gleiche Teilhabe – in Behörden, Schulen, im digitalen Raum und in der öffentlichen Infrastruktur.
Das Gesetz muss Barrierefreiheit verbindlich und einklagbar machen.
Unser Appell
Wir erleben in Brandenburg zunehmend Diskriminierung, Hass und gesellschaftliche Spaltung.
Jetzt ist der Moment, gegenzusteuern – mit einem starken, mutigen, zukunftsfähigen Landesantidiskriminierungsgesetz.
Ein solches Gesetz ist kein Symbol. Wir brauchen dieses Gesetz als Bekenntnis zur Demokratie und zu den Grundwerten unserer Verfassung.
Schließen Sie die Schutzlücke. Stärken Sie die Demokratie. Für ein wertschätzendes Miteinander in öffentlichen Stellen.
Ein Landesantidiskriminierungsgesetz wird eine klare Botschaft senden: Brandenburg ist weltoffen – und Diskriminierung hat hier keinen Platz!
Mit freundlichen Grüßen
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Brandenburg
Andrea Lübcke
Landesvorsitzende
Clemens Rostock
Landesvorsitzender
Surani Loibl
Beisitzerin &
Vielfaltspolitische Sprecherin