Menü
Eine Replik von Annalena Baerbock auf „Eine Frage der Maßstäbe“ von CDU-Chefin Saskia Ludwig in den Potsdamer Neuesten Nachrichten:
Eine realistische Kosten-Nutzen-Abwägung in der Energiedebatte forderte die Brandenburger CDU-Chefin jüngst in dieser Zeitung. Recht hat sie! Denn wer sich die Mühe der Berechnung macht, stellt schnell fest, dass der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien nicht nur aus klimapolitischer Sicht, sondern auch aus ökonomischer Sicht alternativlos ist.
Fakt ist: Nicht die erneuerbaren Energien, sondern die fossilen Energien sind die eigentlichen Subventionsschlucker. Allein die Atomindustrie hat bisher rund 200 Milliarden an Staatsgeldern verschlungen. Ob man die Atomkraft unter diesen Umständen als wirtschaftlich bezeichnen kann, ist mehr als fraglich. Von den für den Menschen unbeherrschbaren Risiken mal ganz abgesehen.
Angesichts dieser Zahlen den Ausbau der erneuerbaren Energien mit dem Argument der Wirtschaftlichkeit anzuzweifeln, ist befremdlich. Erneuerbare Energien haben in Brandenburg in den letzten Jahren rund 12 000 Arbeitsplätze geschaffen und die regionale Wertschöpfung sowie wirtschaftliche Dynamik gerade auch in ländlichen Regionen beflügelt.
Selbstverständlich gibt es den Umbau des Energiesystems aber nicht zum Nulltarif. Der Ausbau der erneuerbaren Energien setzt einen ehrlichen und offenen Umgang mit den Bürgern über die Herausforderungen für Mensch und Natur voraus. Gute Nachricht jedoch: Den Bürgern ist die herausragende Bedeutung der erneuerbaren Energien längst bewusst. Laut einer Forsa-Umfrage von Dezember 2009 fänden 73 Prozent der Deutschen Erneuerbare-Energien-Anlagen in der Nachbarschaft gut bzw. sehr gut. Kohle- und Atomkraftwerke vor der Tür befürworten nur sechs bzw. vier Prozent.
Bedauerlicherweise haben die alte wie auch die neue Landesregierung diese Offenheit der Bevölkerung zur Mitgestaltung der Energiewende lange Zeit nicht genutzt. Dabei ist klar: Transparenz und Bürgerbeteiligung bei Planung und Umsetzung sind das A und O jeglicher Infrastrukturmaßnahmen. Auch brauchen wir eine stärkere Hilfestellung für Kommunen, damit diese Energieprojekte selbst frühzeitig mitgestalten können. So hat sich in Schleswig-Holstein gezeigt, dass die Akzeptanz von Windparks auch an einem ausgeklügelten Pacht-, Nutzungs- und Ausschüttungsmodell liegt. Beim dortigen Bürgerwindpark Ellhöft erhalten auch Eigentümer von Grundstücken, die nicht Standort der Anlagen sind, aber in deren Nähe liegen, Pachtzahlungen. Weiteres Beispiel aus Brandenburg: Das energieautarke Dörfchen Feldheim versorgt seine Einwohner komplett selbst mit unter den üblichen Marktpreisen liegender Energie aus Wind, Sonne und Biomasse.
Die politische Verantwortung derjenigen, die eine Energiewende wirklich einleiten wollen, hört jedoch nicht an der Landesgrenze auf. Den Nachbesserungsbedarf, den wir in Brandenburg beim Ausbau der Erneuerbaren erleben, gilt es auf Bundesebene einzubringen. Das beginnt bei so praktischen Dingen wie dem Verzicht auf rote Blinklichter auf Windrädern und hört bei Nachbesserungen bei der Gewerbesteuerverteilung auf. Wer sich dieser Zukunftsaufgabe verweigert und – mit dem Hinweis, Brandenburg habe genug getan – stattdessen den Kopf in den märkischen Sand steckt, verspielt unsere Chance, Brandenburg nicht nur als Wegbereiter der Energiewende, sondern auch als Standort für Entwicklung und Technologie bundes- und europaweit zu positionieren. Schließlich überlegt die Fraunhofer-Gesellschaft nicht ohne Grund, ein Solar-Institut ausgerechnet in Frankfurt (Oder) zu gründen.
Dieses neue Interesse für unser Land sollten wir nutzen, anstatt an Energieformen festzuhalten, die unsere Heimat abbaggern und weder zum Klima- noch zum Landschaftsschutz beitragen.
Kategorie