Wer wenn nicht wir? – Vom Schein und Sein der deutschen Klimaschutzpolitik

Unpassender hätte der Zeitpunkt nicht sein können. Just zum Start der internationalen VN-Klimakonferenz in Warschau präsentieren Union und SPD energiepolitische Koalitionsvorstellungen, mit denen sie vom Klimaschutz verabschieden:

15.11.13 –

Unpassender hätte der Zeitpunkt nicht sein können. Just zum Start der internationalen VN-Klimakonferenz in Warschau präsentieren Union und SPD energiepolitische Koalitionsvorstellungen, mit denen sie vom Klimaschutz verabschieden: Der Ausbau der Erneuerbaren Energien soll gedrosselt werden. Kohlekraftwerke hingegen dürfen munter weiterlaufen, obwohl sich nach ersten Schätzungen die energiebedingten CO2-Emissionen in Deutschland in diesem Jahr erneut um etwa zwei Prozent erhöhen dürften. Und beim lahmenden Emissionshandel nimmt man sich abgesehen von der Entnahme weniger Zertifikate erst gar nichts vor und verweigert sich somit der Reformdebatte um das wichtigste europäische Klimaschutzinstrument. Deutschland, einst Vorreiter der internationalen Klimapolitik, wird damit Schwierigkeiten sein nationales Klimaschutzziel von 40 Prozent weniger Treibhausgasemissionen bis 2020 überhaupt zu erreichen, da große nationale Emittenten die dem Emissionshandel unterliegen bis 2020 faktisch kaum noch etwas tun müssen. Und das obwohl 82 Prozent der Deutschen nach wie vor zur Energiewende stehen und einen zügigen Ausstieg aus Atom und Kohlen wollen.

Zusätzlich schwächen Union und SPD Investitionsanreize und -sicherheit bei den Erneuerbaren. Dabei steckt gerade hier die Verhandlungsmasse für den internationalen Klimaschutz. Investitionsprogramme für CO2-neutrale Energien sind die harte Währung der Klimadiplomatie. Ganz pragmatisch koppeln sie Klimaschutzbemühungen mit wirtschaftspolitischen Interessen und schaffen Anreize für internationale Transformationsbündnisse und energiepolitische Zusammenarbeit. Doch wenn Hannelore Kraft und Peter Altmaier trotz ausufernder Kohlesubventionen von der „Überförderung“ durch die Erneuerbaren sprechen und massive Vergütungskürzungen vornehmen wollen, liegt das Kind bereits im Brunnen und Investitionspartnerschaften in weiter Ferne. Damit haben die Koalitionäre den Klimaverhandlungen in Warschau einen Bärendienst erwiesen.

Für Staaten wie die Philippinen, über die gerade einer der stärksten Taifune aller Zeiten fegte und ganze Landstriche in Chaos versetzte, mögen diese Koalitionsverhandlungen wie blanker Hohn wirken. 1000 Gigatonnen CO2 dürften nach dem jüngsten IPCC-Bericht zum Klimawandel noch emittiert werden, um die Erderwärmung auf höchstens 2 Grad-Ziel zu begrenzen. Dies hieße, dass vor allem Industriestaaten ihren CO2-Ausstoß extrem drosseln müssen. Doch just in dem Moment, wo man in Warschau mit den Ländern verhandelt, die – wie die Philippinen - bisher am wenigsten CO2 ausgestoßen haben, aber am meisten unter den Schäden leiden - setzt sich in Deutschland die Kohlelobby in persona zweier Ministerpräsidenten so richtig durch. Während Hannelore Kraft für NRW in Brüssel eine weitere Befreiung großer Unternehmen - unter anderem von Kohlekraftwerken bei der EEG-Umlage - warb, zog ihr SPD Ministerpräsidentskollege aus Brandenburg, Dietmar Woidke, für die Vorverhandlungen extra ein Aufsichtsratsmitglied von Vattenfall als Berater hinzu, um den Kohleabbau in Brandenburg weiter zu sichern. So sollen rund um das Kraftwerk Jänschwalde, das mehr Kohlendioxid ausstößt als 26 afrikanische Staaten zusammen, neue Tagebaue erschlossen werden, um auch 2050 - wenn man weltweit eigentlich 95 Prozent CO2-Emissionen eingespart haben will - Kohle verbrennen zu können. Klimapolitische Vorreiterschaft sieht definitiv anders aus und die SPD übernimmt hier eins zu eins die Rolle als Ausbaubremser von der FDP.

SPD und Union müssen begreifen, dass sie derzeit nicht allein die 18. Wahlperiode verhandeln, sondern auch internationale klimapolitische Verantwortung tragen. Deutschland hat mit dem Atomausstieg und der Energiewende internationale Erwartungen geweckt, denen es nun auch engagiert gerecht werden muss. Die Preisfrage stellt sich nicht bei den Kosten der Energiewende, sie lautet vielmehr: investieren wir heute in einen schnellen und gerechten Umstieg auf eine emissionsarme und klimafreundliche Stromversorgung oder heizen wir die Atmosphäre weiter auf - zu Lasten und Kosten anderer Länder und kommender Generationen? Wer, wenn nicht Deutschland soll diese Frage beantworten?

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