13.05.25 –
Eine aktuelle wissenschaftliche Expertise im Auftrag des EU-Abgeordneten Erik Marquardt stellt der deutschen Grenzpolitik ein verheerendes Zeugnis aus. Das heute vorgestellte Gutachten von Dr. Marcus Engler, Sozialwissenschaftler am DeZIM-Institut, der zu Flucht- und Migrationsbewegungen sowie zur deutschen, europäischen und globalen Flüchtlingspolitik forscht, und weiteren Expert*innen der Europa-Universität Viadrina zeigt: Die Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen beruht nicht auf belastbaren Daten. Es lassen sich keine klaren Effekte auf irreguläre Migration nachweisen – wohl aber erhebliche negative Folgen für Schutzsuchende, die Bevölkerung in den Grenzregionen sowie für die europäische Zusammenarbeit. Seit Herbst 2023 wurden Grenzkontrollen an mehreren Landesgrenzen schrittweise eingeführt. Seit dem 16. September 2024 gelten sie an allen deutschen Landgrenzen.
Dr. Andrea Lübcke, Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Brandenburg, kritisiert den Kurs scharf: „Gemeinsam mit der Bundesregierung missachtet Herr Dobrindt hier bewusst europäisches Recht und brüskiert unsere polnischen Nachbarn. Die Ursachen für Flucht und Migration sind komplex und liegen größtenteils außerhalb unseres Einflusses. Die ständig wiederholte Behauptung, man könne Migration durch Binnengrenzkontrollen steuern, ist ein Täuschungsmanöver. Migration wird dadurch lediglich verlagert – etwa auf unkontrollierte Grenzabschnitte wie die grüne Grenze oder nicht bewachte Übergänge, die es ja weiterhin gibt. Schwankungen sind vielmehr durch veränderte Einreisebewegungen in vorgelagerten Ländern zu erklären.“
Auch in den betroffenen Regionen vor Ort wächst der Unmut. Sahra Damus, bündnisgrüne Stadtverordnete in Frankfurt (Oder) und frühere Landtagsabgeordnete, beschreibt die konkreten Auswirkungen:
„Wir hier vor Ort wissen schon seit Langem, dass die Grenzkontrollen eine Farce sind. Während die grüne Grenze und die Vielzahl der über 20 kleineren Grenzübergänge in Brandenburg nicht oder selten kontrolliert werden, produziert man ein teures Schaulaufen an lediglich drei Übergängen – an zweien in Frankfurt und einem in Forst. Das geht zu Lasten der steuerzahlenden Bevölkerung, der Polizei und der Schutzsuchenden. Zudem beeinträchtigen die Grenzkontrollen das alltägliche Leben in unserer Doppelstadt. Vor allem unsere polnischen Nachbarn versinken regelmäßig im Stauchaos. Deutsche und polnische Pendler*innen auf dem Weg zur Arbeit, zur Uni, zur Schule oder Kita leiden tagtäglich. Gleichzeitig verschlechtert sich das gesellschaftliche Klima. Echte Lösungen kann es nur gemeinsam auf EU-Ebene geben.“
Auf Grundlage einer vom neuen Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) unterzeichneten Anweisung wurden die Regeln für Einreisen nochmals verschärft. Die Kontrollen sollen deutlich ausgeweitet werden. Dobrindt, der bundesweit Bekanntheit erlangte als Verfechter der Ausländer-PKW-Maut – einem Prestigeprojekt der CSU, das letztlich in einem milliardenschweren Schaden für den Steuerzahler mündete – scheint sich in seiner neuen Rolle zu gefallen. „Dobrindt legt mit seinem Amtsantritt medienwirksamen Aktionismus an den Tag, der Handlungsfähigkeit vorgaukeln soll, tatsächlich aber nichts als populistische Nebelkerzen zündet – inhaltlich substanzlos und rechtlich fragwürdig“, kritisiert Lübcke.
Für die Bündnisgrünen ist klar: CDU und CSU setzen – ebenso wie die rechtsextreme AfD – auf nationale Abschottung und populistische Stimmungsmache. „Brandenburg ist europäische Grenzregion – aber kein Ort für Grenzzäune. Eine verantwortungsvolle Migrationspolitik braucht Kooperation, Rechtsstaatlichkeit und Humanität. Statt auf rechtlich fragwürdige Maßnahmen zu setzen, muss die Bundesregierung zu einem Kurs zurückfinden, der europäische Solidarität, Menschenrechte und tragfähige Lösungen in den Mittelpunkt stellt“, so Lübcke. „Dazu gehört auch die Bekämpfung von Fluchtursachen – etwa durch ein stärkeres Engagement im Kampf gegen die Klimakrise und die Unterstützung von Stabilitäts- und Entwicklungsinitiativen in Herkunftsregionen.“
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Download „Expertise zu den Auswirkungen von Binnengrenzkontrollen“. Erstellt von Marcus Engler, Lea Christinck, Norbert Cyrus
In Auftrag gegeben durch MdEP Erik Marquardt
https://gruene-brandenburg.de/userspace/BB/lv_brandenburg/Bilder/_Archiv/Marquardt_Expertise_Grenzkontrollen.pdf
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