Krim-Krise: Eine Bewährungsprobe für Europa

Cem Özdemir spricht im Interview über die Krim-Krise und fordert einen Stopp von Waffenexporten. Weitere Themen sind die doppelte Staatsbürgerschaft, das Handelsabkommen zwischen USA und EU sowie der Jahrestag der Atomkatastrophe von Fukushima.

Cem Özdemir spricht im Interview über die Krim-Krise und fordert einen Stopp von Waffenexporten. Weitere Themen sind die doppelte Staatsbürgerschaft, das Handelsabkommen zwischen USA und EU sowie der Jahrestag der Atomkatastrophe von Fukushima.

gruene.de: Wie geht es in der Ukraine und auf der Halbinsel Krim weiter?

Cem Özdemir: Wir sind am Beginn einer entscheidenden Woche. Lässt sich das illegale Referendum auf der Krim am 16. März noch verhindern? Es wird bestimmen wie es zwischen der Ukraine und Russland weitergeht. Für uns ist die völkerrechtswidrige Besetzung und Annektierung der Krim durch Russland nicht akzeptabel. Die territoriale Integrität der Ukraine muss gewahrt bleiben. Außerdem muss dem Nationalismus, in welchem Gewand auch immer, Einhalt geboten werden. Die Zukunft liegt in einem freien und geeinten Europa - und zu dem gehören selbstverständlich die Völker Osteuropas. Wir sind in einer ernsthaften Bewährungsprobe für Europa und haben auch eine Verantwortung für die Länder in unmittelbarer Nachbarschaft. Ich denke dabei an das Baltikum, aber auch Polen und andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Europa muss mit einer Stimme sprechen, damit diese Länder daran glauben können, dass ihre Sicherheit durch eine Mitgliedschaft in der Europäischen Union gewährleistet ist.

Wie kann die Krim-Krise beendet werden?

Wir brauchen jetzt eine diplomatische, politische Lösung des Konfliktes. Allerdings muss man sehen, dass die Gesprächs- und Kompromissbereitschaft bei Herrn Putin offensichtlich nicht so ausgeprägt ist, wie man es sich wünschen würde. Die Europäische Union muss entlang der aktuellen Lage entscheiden, welche jeweilige Maßnahmen notwendig sind. Dazu gehören auch gezielte Sanktionen, wie Reisebeschränkungen, Einfrieren von Konten – Maßnahmen, die der Elite um Putin herum weh tun. Für uns gehört außerdem ein Stopp von Waffenexporten dazu. Es macht keinen Sinn, dass man Russland dafür kritisiert, was auf der Krim passiert, und andererseits nach wie vor Waffenexporte nach Russland vornimmt. Das passt hinten und vorne nicht zusammen. Außerdem ist diese Krise für uns GRÜNE noch mal eine Gelegenheit, auf die Energiewende aufmerksam zu machen. Wir müssen weg von der Abhängigkeit von Putin, aber auch von den Ölscheichs.

Drei rot-grün bzw. grün-rot regierte Bundesländer haben einen Gesetzesentwurf eingebracht, den Optionszwang bei der doppelten Staatsbürgerschaft abzuschaffen. Wie geht es bei diesem Thema weiter?

Union und SPD haben sich jetzt auf einen Formelkompromiss geeinigt. Aber die Große Koalition hat offenbar ein Problem damit, dass frei gewählte Landesregierungen Gesetzesentwürfe einbringen. Die Länder müssen nicht um Erlaubnis fragen, wenn sie sich eine eigene Meinung bilden. Wir sind verwundert, wie schwer sich die Union damit tut, die Realität anzuerkennen. Unabhängig davon, wo ihre Eltern herkommen, sind für uns in Deutschland geborene Kinder Teil unseres Landes. Zu einer modernen Republik gehört es dazu, dass man hier geborene Kinder nicht unterschiedlich behandelt. Wir hier in Deutschland das Licht der Welt erblickt, der sollte nach unserer Meinung auch deutscher Staatsbürger sein.

Wir GRÜNE haben uns für ein Aussetzen der Verhandlungen von TTIP, dem Freihandelsabkommen zwischen USA und EU, ausgesprochen. Wie sehen die aktuellen Entwicklungen aus?

Die Verhandlungen dürfen nicht hinter verschlossenen Türen geführt werden. Es muss ein demokratischer Prozess der Beteiligung her. Die Öffentlichkeit bei uns hat zu Recht ein Interesse daran, dass europäische Umwelt- und Verbraucherstandards nicht einfach geschliffen werden. Unsere Sorge ist aber nicht nur, dass bereits Erreichtes gefährdet wird, sondern auch die Umwelt- und Verbraucherstandards der Zukunft verhindert werden könnten. Wir haben in den letzten Jahren gesehen, dass diese Standards immer wieder gesteigert wurden. Die Entwicklung darf nicht gestoppt oder rückabgewickelt werden. Deshalb haben wir uns eine Maßnahme der Demokratisierung erlaubt, indem wir den deutschen Text des Verhandlungsmandates der Europäischen Kommission ins Internet gestellt haben. Wenn die Kommission das nicht macht, machen wir es eben. Diese Woche treffen wir uns auch mit den Umwelt- und Naturschutzverbänden und sprechen über das gemeinsame Vorgehen bei TTIP. Klar ist für uns: Es kann in Zukunft in diesen Fragen nichts am Europäischen Parlament vorbei entschieden werden.

Morgen jährt sich die Reaktorkatastrophe von Fukushima. Was denkst du an einem solchen Tag?

Ich finde, das sollte uns mahnen und noch einmal mit auf den Weg geben, die Energiewende engagiert anzupacken und zum Erfolg zu führen – nicht nur in Deutschland sondern auch in der Europäischen Union. Auch wenn wir in der Bundesrepublik Deutschland die Atomkraftwerke sukzessive abschalten, sollten wir nicht vergessen, dass an unserer Grenze weiterhin gefährliche Atommeiler stehen – in Fessenheim im Elsass oder in Cattenom in Lothringen. Auch diese Atomkraftwerke wollen wir schrittweise abschalten, damit die Europäische Union zu einer Europäischen Union mit Erneuerbaren Energien wird.

Kategorie

Europa

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