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10.09.12 –
Vorstellung des „Gutachtens zur Reform der Kommunal- und Landesverwaltung Brandenburg"
Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Brandenburger Landtag hat am 31.08. ein Gutachten zu Gestaltungsoptionen für eine Reform der Gemeindestruktur in Brandenburg vorgestellt, das sie beim Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung in Speyer in Auftrag gegeben hatte. Das Kurzgutachten dient der Fraktion als Grundlage für eine Positionierung in der nun anstehenden Debatte über eine langfristig tragfähige Kommunal- und Landesverwaltung in der Enquete-Kommission „Kommunal- und Landesverwaltung – bürgernah, effektiv und zukunftsfest" (Enquete-Kommission 5/2).
Vor der Beauftragung des Deutschen Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung in Speyer hatte die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bereits Leitlinien für eine zukunftsfähige Struktur der Kommunal- und Landesverwaltung in Brandenburg formuliert. Diese lauten:
Ausweitung der demokratischen Mitbestimmungsrechte und Mitwirkungsmöglichkeiten der BürgerInnen
Schaffung ausreichend flexibler und dauerhaft zukunftsfester Verwaltungsstrukturen
Entwicklung effizienter Verwaltungsstrukturen, um mit möglichst wenig Aufwand die Aufgaben der Daseinsvorsorge auch im ländlichen Raum dauerhaft finanzierbar zu gestalten
die Verwaltungsreform muss die Perspektive einer Fusion mit Berlin offen halten und nach Möglichkeit befördern.
Die Fraktion hat mit dem Gutachten einen besonderen Fokus auf die unterste Verwaltungsebene der Gemeinden und Gemeindeverbände gelegt, weil diese die Lebenswelt der Bürgerinnen und Bürger am stärksten berührt.
Die Gutachter unter der Leitung von Frau Prof. Dr. SABINE KUHLMANN haben Verwaltungsmodelle unterhalb der Kreisebene in Bezug auf ihre demokratische Verfasstheit, eine sachgerechte Aufgabenverteilung, geeignete Dimensionen und die mögliche Finanzierung analysiert. In ihrem Gutachten haben sie den grundlegenden Reformbedarf der Gemeindestruktur in Brandenburg herausgestellt und Empfehlungen herausgearbeitet.
Vorgeschlagen wird eine Gemeindegebietsstruktur, die sich aus Einheitsgemeinden und so genannten Verbandsgemeinden – Verbünden kleinerer Ortsgemeinden - zusammensetzt. Das bestehende Ämtermodell sollte – so die Gutachterinnen und Gutachter – zu Verbandsgemeinden umgewandelt werden. In Verbandsgemeinden werden auf der oberen Ebene der Verbandsgemeinderat und der/die BürgermeisterIn direkt gewählt, auf der unteren Ebene der der Verbandsgemeinde angehörenden Ortsgemeinden die/der OrtsgemeindebürgermeisterIn und der Ortsgemeinderat. Das Verbandsgemeindemodell zeichnet sich also durch eine bessere demokratische Legitimation aus als die heute in Brandenburg bestehenden Ämter mit ihren Amtsausschüssen und AmtsdirektorInnen. In dem Modell erfolgt eine Trennung von Entscheidungs- und Vollzugskompetenzen, so dass die Ortsgemeinde weiterhin über ortsbezogene Aufgaben bestimmt, die jedoch durch die bei der Verbandsgemeinde angesiedelte Verwaltung vollzogen werden. Die Verbandsgemeinde ihrerseits erhält durch Landesgesetz Selbstverwaltungsaufgaben von überörtlichem Charakter zugewiesen. Durch diese Bündelung werden Effizienz- und Kostenvorteile erzielt. Gelöst werden damit auch mögliche verfassungsrechtliche Probleme der Ämterstruktur.
„Frau Professor Kuhlmann und ihr wissenschaftliches Team haben die Gemeindestrukturen, ihre demokratische Verfasstheit, die zu bewältigenden Aufgaben und die mögliche Finanzierung der Gemeinden sehr genau unter die Lupe genommen", sagte die innenpolitische Sprecherin der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN URSULA NONNEMACHER, die auch Mitglied der Enquete-Kommission 5/2 ist. „In dem klar strukturierten und gut lesbaren Gutachten wurden wohl begründete Empfehlungen herausgearbeitet."
Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sieht sich durch das Gutachten in folgenden Punkten in ihren oben genannten Leitlinien bestätigt bzw. leitet folgende Positionen daraus ab:
das Verbandsgemeindemodell überzeugt wegen seiner verbesserten demokratischen Legitimation, durch die Vermeidung von Zwangsfusionen und verbesserte Möglichkeiten für die BürgerInnen, sich in politischen Ehrenämtern zu betätigen
eine Orientierung an etwa 10.000 Einwohnern pro Gemeinde oder Gemeindeverband im Jahr 2030 halten wir zur Erfüllung der konkret benannten Aufgaben für sachgerecht
aufgrund der disparaten Siedlungsstruktur in Brandenburg müssen flexible Lösungen möglich bleiben; die genannte Einwohnerstärke ist eine Orientierung, kein Dogma; in dünnbesiedelten peripheren Räumen sprechen wir uns für eine Flächenobergrenze aus, um zu ausgedehnte Gemeindeverbände zu vermeiden
einen Vorteil des Verbandsgemeindemodells sehen wir auch darin, dass Zusammenschlüsse von sehr kleinen Einheitsgemeinden und kleinen Ämtern unter einem gemeinsamen Dach ohne Aufgabe der Selbständigkeit möglich sind
die vorgeschlagene Aufgabenzuordnung finden wir sachgerecht und sehen darin eine Stärkung der Gemeinden
„Es hat sich in Brandenburg bewährt, dass je nach regionalen Gegebenheiten Einheitsgemeinden und Ämter nebeneinander her existieren. Mit
dem vorgeschlagenen Modell würde an dieser Vielfalt festgehalten, die Ämter würden allerdings zu demokratisch besser legitimierten Verbandsgemeinden weiter entwickelt", sagte URSULA NONNEMACHER.
Das Gutachten stelle selbstverständlich nicht eins zu eins die bündnisgrüne Sicht dar, sagte sie. „Die AutorInnen haben durch ihre wissenschaftliche Arbeit unseren Diskussionsprozess aber sehr beflügelt. Wir hoffen, dass durch die Schlussfolgerungen, die unsere Fraktion aus dem Gutachten zieht, die Arbeit in der Enquetekommission angeregt werden kann und auch die Diskussion in der bündnisgrünen Partei neue Impulse erfährt."
URSULA NONNEMACHER verwies darauf, dass schon im Abschlussbericht der Enquetekommission „Gemeindegebietsreform im Land Brandenburg" der 2. Wahlperiode 1999 eine Fortentwicklung des brandenburgischen Amtsmodells gefordert wurde, die dem heutigen rheinland-pfälzischem Verbandsgemeindemodell ähnelt. Auch im Bericht des Innenministeriums (2011) zur Evaluation der Gemeindegebietsreform von 2003 wird das derzeitige Ämtermodell kritisch gesehen und das gestufte Gemeindemodell der Verbandsgemeinde als eine Reformoption aufgeführt.
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