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11.11.08 –
Energiestrategie für Brandenburg 2009
Der Grüne Weg
1. Handlungsbedarf durch globale und regionale Entwicklung
Der Vierte Sachstandsbericht des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) aus dem Jahr 2007 nahm den interessengeleiteten Zweiflern des Klimawandels jede Argumentationsgrundlage: Die weltweite Veränderung des Klimas ist Fakt und äußert sich in steigenden Temperaturen, weitverbreitetem
Schmelzen von Eis und Schnee und im Ansteigen des Meeresspiegels.
Diese Veränderungen äußern sich auch in der Zunahme von Überschwemmungen, Stürmen sowie schleichendem Landverlust. Sie kosten bereits heute jährlich eine kaum seriös zu bestimmende Anzahl von Menschenleben und bedrohen zukünftig die existenziellen Grundlagen von Milliarden Menschen, wobei überwiegend die Ärmsten dieses Planeten akut bedroht sind.
Allein diese Erkenntnislage verpflichtet alle Länder dieser Erde zum sofortigen und vor allem wirksamen und glaubwürdigen Handeln – völlig unabhängig von den prognostizierten Folgen für das eigene Territorium.
Hinzu kommt, dass kaum eine Region von nachteiligen, klimabedingten Veränderungen verschont bleibt.
Für Brandenburg als niederschlagsärmsten Bundesland sind die Folgen bereits prognostiziert. Weiter zunehmende Trockenheit, verbunden mit absinkendem Grundwasserspiegel, massiver Rückgang der Flusspegel im Sommer bis hin zum Austrocknen, Ernteeinbußen und Waldbrände. Hinzu kommt, dass das Land eine sehr schlechte Ausgangsbasis für den Klimawandel hat: Bereits seit langem ist Brandenburg auf Wasserimporte aus Sachsen angewiesen, der Braunkohlebergbau führt zu massiven Grundwasserabsenkungen, und die märkischen Kiefernwälder sind ein denkbar schlechter Wasserspeicher. Durch die weitere Vergrößerung der Wasserflächen mittels Flutung der Tagebau-Restlöcher verschlechtert sich die Wasserbilanz entgegen der landläufigen Meinung weiter, denn offene Wasserfläche führt zu erhöhten Verdunstungsverlusten.
Gleichzeitig ist durch die jüngsten Preissteigerungen am (Energie-)Rohstoffmarkt einer breiten Öffentlichkeit bewusst geworden, dass das konsequente Ausblenden der Endlichkeit fossiler Ressourcen ein böses Erwachen haben wird. Die Zeiten billigen Öls für alle sind vorbei, bei vielen Energieträgern (Öl, 2008-10 LDK-Beschluss Energiestrategie, Kohle, Gas) ist das Fördermaximum (Peak) in greifbarer Nähe, so dass auf lange Sicht die Preisentwicklung nur nach oben zeigen kann. Alternativen sind jetzt also auch aus finanzieller Sicht unumgänglich.
Die Entwicklung bestätigt die politische Programmatik der Bündnisgrünen. Diese Bestätigung darf aber kein Anlass sein sich zurück zu lehnen, im Gegenteil.
Als einzige Partei fordert Bündnis 90/Die Grünen seit Jahrzehnten einen nachhaltigen Umgang mit den Ressourcen des Planeten. Nachhaltigkeit bedeutet, mit menschlichem Handeln Generationengerechtigkeit zu erzielen, also unseren Nachkommen eine lebenswerte und überlebensfähige Welt zu übergeben.
Ziel muss sein, in der einen Welt soziale, ethische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die ein dauerhaftes friedliches Miteinander auf dieser Grundlage ermöglichen. Gerade heute, in der beschleunigten Phase der klimatischen Veränderungen, sind konkrete Grüne Lösungen mehr denn je gefragt.
Das Festhalten der Landesregierung an ihrer Politik der Braunkohleverstromung zeugt von einem hohen Maß an Ignoranz gegenüber dem globalen Umweltproblem Nummer 1: Dem menschengemachten Klimawandel.
Die vorliegende Energiestrategie 2009 von Bündnis 90/Die Grünen für Brandenburg zeigt Lösungen für eine nachhaltige und sichere Energieversorgung.
2. Bestandsaufnahme in Brandenburg und Bewertung
2.1 Allgemeines
Brandenburg ist Strom-Exporteur, d.h. es wird hier deutlich mehr Strom erzeugt als Haushalte, Industrie und Gewerbe verbrauchen. Dieser Stromüberschuss wird zu über 75 Prozent auf besonders klimaschädliche Weise, nämlich mit der Verstromung von Braunkohle erzeugt. Als Folge des exorbitant hohen Anteils
der Braunkohle am brandenburger Energiemix entfällt auf jede BrandenburgerIn ein CO2-Ausstoß von über 24 Tonnen pro Kopf und Jahr. Aber auch unter Herausrechnung des Exportanteils werden über 14 Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr produziert, verglichen mit 10 Tonnen im bundesdeutschen Durchschnitt.
Nach den Zielsetzungen des UN-Klimarates muss bis 2050 der Jahres-CO2-Ausstoß auf unter 2 Tonnen je Mensch reduziert werden. Dies zeigt, welche gewaltigen Vermeidungsanstrengungen vor uns liegen.
Brandenburg hatte 2007 eine Stromerzeugung von ca. 134,3 PJ (Petajoule), dies entspricht 37,3 TWh (1 TWh = 1 Milliarde kWh; 1 TWh = 3,6 PJ) [2].
Dabei wurden 25,2 PJ (7,0 TWh) aus Erneuerbaren Energien (EE) nach dem EEG-Gesetz erzeugt. Hiervon erbrachte der Windstrom 19,8 PJ (5,5 TWh) [3]. Dies macht eine erfreuliche EEG-Quote von 18,8 % bei der Stromproduktion, gemessen am Stromverbrauch wurden sogar über 40 Prozent 2007 aus Erneuerbaren Energien erzeugt.
Da die fossile Stromerzeugung in Brandenburg fast ausschließlich auf Braunkohle basiert, können dieser für 2007 ca. 108 PJ (30 TWh) zugeschrieben werden, überwiegend aus den beiden Vattenfall-Kraftwerken Jänschwalde und Schwarze Pumpe im Landkreis Spree-Neiße (SPN).
Dieser Erzeugung steht ein jährlicher Stromverbrauch von ca. 57 PJ ( 16 TWh) gegenüber. [4] Allerdings führte das rasche Anwachsen der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien nicht zu einer Reduzierung der Braunkohleverstromung sondern führte nur zu einem weiteren Anstieg des Stromexports aus unserem Land.
In den weiteren großen Energiesektoren Verkehr und Wärme (jeweils ohne Strom) spielt der Anteil der Erneuerbaren Energien bisher nur eine untergeordnete Rolle, hier liegt noch ein großes Potenzial. Der Verbrauch
wird bundesweit immer noch zu 93 % von Mineralölprodukten, Erdgas und Kohle gedeckt [7].
Nach der Energiestrategie 2020 des Landesregierung vom Mai 2008 soll der Ausbau der EE bis 2020 auf 20 % am Primärenergieverbrauch ansteigen. Dies entspricht einer Verdreifachung zu heute. Mit dem projektierten Ausbau der Stromproduktion aus Wind- und Solarenergie könnte rein rechnerisch der
kompletten Stromverbrauch Brandenburgs abgedeckt und zudem noch Strom in andere Bundesländer exportiert werden.[5]
2.2 Braunkohle
Von allen weltweit großtechnisch eingesetzten Arten der Stromerzeugung ist das Verbrennen von Braunkohle mit dem höchsten CO2-Ausstoß verbunden, zur Zeit über 1 Tonne CO2 pro MWh Strom (=1000 kWh) [3].
Neben dem Rheinischen Revier westlich von Köln ist das Lausitzer Revier das zweitgrößte deutsche Braunkohlenrevier, gemessen an der Förderleistung. Beim Flächenverbrauch ist das Lausitzer Revier dagegen mit Abstand das größte Braunkohlegebiet, größer als alle anderen deutschen Reviere zusammen
[6].
Drei von vier aktiven Lausitzer Tagebauen befinden sich im Landkreis Spree-Neiße in Brandenburg. Vier von fünf aktuell geplanten Erweiterungsfeldern bzw. Neuaufschlüssen in der Lausitz befinden sich in Brandenburg. Über 70 % der elektrischen Kraftwerksleistung der Lausitzer Braunkohle sind in Brandenburg
installiert.
Die Fortführung der Braunkohleverstromung wird von Landesregierung und Politik in öffentlichen Erklärungen an das Funktionieren der CCS-Technologie ab 2020 gekoppelt. (Abscheiden und Speichern/Endlagern von CO2 als dem klimaschädlichsten Bestandteil der Abgase.) Diese Absicht wird in der Energiestrategie der Landesregierung [5] (Stand August 2008) ebenfalls bekundet, ein Antrag auf dem letzten SPD-Parteitag eine funktionierende CCS-Abscheidung rechtsverbindlich als Voraussetzung für die Genehmigung neuer Tagebaue festzuschreiben, scheiterte aber am SPD-Landesvorstand.
Von Fachleuten wird die großtechnische Einsetzbarkeit der CO2-Abscheidung bereits im Jahr 2020 sehr optimistisch eingestuft. Die Frage der Speicherung ist großteils ungeklärt, sowohl verfahrenstechnisch, geologisch, als auch rechtlich. Betrachtet man die Notwendigkeit einer sicheren Lagerung über mindestens Jahrhunderte, eher Jahrtausende, verbunden mit dem erheblichen Wirkungsgradverlust (minus 8-15 Prozentpunkte, d.h. von heute ca. 44 auf 29-36 % Nettowirkungsgrad), ist die wirtschaftliche Anwendung und damit die breite Umsetzung von CCS aus heutiger Sicht mehr als fraglich.
CCS ist nicht nachhaltig. CCS schafft ein neues Endlagerproblem und widerspricht somit den Grundsätzen einer nachhaltigen Politik. Wenn die Technik kommt, so kommt sie zu spät, um die Klimaerwärmung zu stoppen.
Wir wenden uns aber nicht gegen die Erforschung dieser Technologie und werden es Vattenvall nicht verwehren, in die Erforschung von CCS zu investieren oder ein Demonstrationskraftwerk in Brandenburg zu bauen. Aber unsere Rahmenbedingungen sind klar: Der Braunkohlebedarf für das Demonstrationskraftwerk ist aus den genehmigten Abbaufeldern zu decken. Mit der Errichtung des Versuchskraftwerkes sind in gleichem Umfang vorhandene konventionelle Verstromungskapazitäten stillzulegen. Ein CCSVersuchskraftwerk
rechtfertigt keine Genehmigung neuer Tagebaue.
Die Braunkohleverstromung ist derzeit hochprofitabel für die Kraftwerksbetreiber, auch wegen der Einrechnung der kostenlos zugeteilten CO2-Zertifikate in den Endabnahmepreis. Die hohen Gewinne der Stromkonzerne machen klar, dass die Branche nicht auf öffentliche Fördergelder angewiesen ist. Daher gilt für uns: Keine Subventionierung der CCS-Technologie mit öffentlichen Geldern! Das Geld ist für
Erforschung und Ausbau der erneuerbaren Energien oder bei der Wärmesanierung von Gebäuden besser aufgehoben.
3. Der Grüne Weg
3.1 Ausstieg aus der Braunkohle
Braunkohle als der klimaschädlichste fossile Energieträger hat mittelfristig keinen Platz in einem nachhaltigen Energiemix. Unser Ziel ist deshalb, sofort und unverzüglich die Weichen für den Ausstieg aus der Braunkohle zu stellen. Dieser muss zum Schutz des Klimas und auch zur Rettung des Wasserhaushaltes der Lausitz so schnell erfolgen, wie es im rechtlichen Rahmen ohne Entschädigungszahlungen an den Betreiber gerade noch möglich ist. In den folgenden Abschnitten wird erläutert, warum der Braunkohlenausstieg dennoch sozialverträglich erfolgen wird und warum dies für die Region keinen Verlust, sondern im Gegenteil einen Gewinn an Arbeitsplätzen (im Bereich EE) und Lebensqualität (durch EE) darstellt.
Die Entwicklung der Beschäftigtenzahlen in der Lausitzer Braunkohleindustrie (Tagebaue & Kraftwerke von Vattenfall Europe in der Lausitz) sinkt bereits seit Jahren stetig. Ende 2006 war der Stand von 7.949 Beschäftigten in Sachsen und Brandenburg erreicht, nach 9.359 Ende 2002 [8]. Unter dem Credo „Ein
Arbeitsplatz in der Kohle ist besser als keiner“ wird in der Lausitz und im Land seit Jahren kohlefreundliche Politik gemacht. Dabei wird der „Segen“ der Kohle auf immer weniger Beschäftigte verteilt, die Automatisierung in Tagebau und Kraftwerk schreitet voran, immer weniger Angestellte erledigen die selbe Arbeit. Dennoch gibt es heute bei Vattenfall keine betriebsbedingten Kündigungen, der Personalrückgang erfolgt durch die natürliche Altersentwicklung.
Der Grüne Weg für den vernünftigen und nicht nur sozialverträglichen, sondern Arbeit schaffenden Ausstieg aus der Braunkohle in der Lausitz ist im Wesentlichen mit den Forderungen des von uns unterstützten Volksbegehrens „Keine neuen Tagebaue“ beschrieben.
Wir treten dafür ein, dass in Brandenburg keine neuen Tagebaue mehr genehmigt werden. Dies ist wichtig für die Planungssicherheit von Bürgern und Investoren. Das Auslaufen der Braunkohleverstromung wird demnach zwangsläufig durch die verbleibenden genehmigten Abbaufelder (in Brandenburg: Jänschwalde, Cottbus-Nord und Welzow-Süd I) bzw. deren Fördermengen festgelegt. Entgegen den Darstellungen des Unternehmens Vattenfall wird dadurch der Weiterbetrieb aller Braunkohlenblöcke bis zu deren planmäßigem Auslaufen nach rund 40 Jahren Betriebszeit prinzipiell ermöglicht, inklusive des gerade im Bau befindlichen Blockes R in Boxberg. Dieser würde im Szenario spätestens im Jahr 2050 vom Betreiber abgeschaltet und damit das Ende der Braunkohleverstromung besiegeln. Im Umkehrschluss bedeutet das ein Abschalten von Jänschwalde um das Jahr 2020.
Durch die volle Bezahlung der CO2-Zertifikate im europäischen Emissionshandel durch die Kraftwerksbetreiber wird der Kostenvorteil der Braunkohle stark verringert, so dass auch von dieser Seite ein Ende der Braunkohleverstromung erleichtert wird.
Es geht uns also um einen konsequenten Ausstieg aus der Braunkohle, der dennoch ohne Kündigungen ablaufen kann, wenn der Betreiber dies will. Im Gegenteil, zum Absichern des zukünftigen Betriebes und für Rückbau und Rekultivierung werden weiterhin (entsprechend der Personalpolitik des Konzerns hoffentlich auch viele Brandenburger) Neueinstellungen notwendig sein.
Viel wichtiger und gewichtiger werden bis dahin jedoch die zusätzlich entstehenden Arbeitsplätze im Bereich EE sein, so dass sich die Frage nach dem Arbeitsplatzerhalt in der Braunkohle entschärfen wird.
Mit dem Ausstieg aus der Kohle werden landespolitisch folgende wesentlichen Ziele erreicht:
• Keine weiteren Umsiedlungen und Zerstörung von gewachsenen Ortschaften
• Erhalt von wertvollen Biotopen und Landschaften
• Renaturierung und Wiederherstellung wertvoller Naturlandschaften
• Weichenstellung in Richtung nachhaltiger Energieversorgung
• Umlenken von Investitionen in Richtung Erneuerbare Energien
• Reduzierung endlich auch der brandenburgischen kllimaschädlichen Emissionen
• Planungssicherheit für Bürger (Hausbau) und Investoren (Gewerbe-Ansiedlungen)
3.2 Ausbau der Erneuerbaren Energien und Energieeinsparung
Der Grüne Weg zeigt, wie die derzeitige Produktion von ~ 108 PJ (30 TWh) Braunkohlestrom pro Jahr in Brandenburg kompensiert (ersetzt und eingespart) werden kann.
Auch in unserem Konzept sind Stromexporte noch vorgesehen. Als dünn besiedeltes Flächenland kann Brandenburg noch einen gewissen, seinem Flächenanteil angemessenen Überschuss erzeugen, um Länder mit höherer Siedlungsdichte bei den flächenintensiven Energiequellen (Sonne, Wind, Biomasse) im gesamtdeutschen Energiemix zu unterstützen. Bei ausgewogenen finanziellen und steuerlichen Rahmenbedingungen wird dadurch eine hohe regionale Wertschöpfung erreicht.
Steinkohle oder gar Atomkraft stellen für uns dabei keine Alternative zur Braunkohle dar.
Darüber hinaus gilt es Maßnahmen zu realisieren, um den Anteil Erneuerbarer Energien auch in den Sektoren Wärme und Verkehr zu steigern.
Während die Wasserkraft in Brandenburg nur noch sehr beschränktes Ausbaupotential hat und Biomasse aufgrund der Konkurrenz zum Lebensmittelmarkt, der ethischen und ökologischen Konflikte und perspektivisch
auch aufgrund der stofflichen Verwertung im Bereich der Stromerzeugung nicht forciert ausgebaut werden kann, bieten die Energiequellen Sonne, Wind und Geothermie noch erhebliches Ausbaupotential.
Nötig hierzu sind auf Landesebene:
• gesicherte Planungsgrundlagen für Windeignungsgebiete an geeigneten Standorten
• Einbeziehung von Forstflächen in die Kulisse der Windeignungsgebiete
• Ausweisung von Flächen für PV-Freiflächenanlagen
• Partizipative Planungsverfahren und Transparenz bei der Auswahl der Windeignungsgebiete um eine erhöhte Akzeptanz in der Bevölkerung zu erreichen.
• Erforschung und Optimierung der Speichertechnologien für EEG-Strom
Allein durch Re-Powering (Ersatz von älteren leistungsschwachen Anlagen durch rentablere Neuanlagen) der vorhandenen 2425 Windkraftanlagen [3] auf 3 MW bei Nabenhöhen von ~120 m ergibt sich ein Zuwachs um 32,4 PJ (9 TWh) auf 52,2 PJ (14,5 TWh) Windstrom innerhalb der nächsten 20 Jahre (2000 Volllaststunden pro Jahr). Allein durch dieses Paket ist somit – zusammen mit der restlichen EEGStromerzeugung des Jahres 2007 – die Deckung des (heutigen) Strombedarfes rechnerisch gesichert.
Darüber hinaus können durch allgemeinen Ausbau der Winderzeugung in Brandenburg (z.B. Forstflächen), weitere 14,4 PJ (4 TWh) bis 2020 angesetzt werden.
Für die zeitliche Deckung des Lastganges ist darüber hinaus eine Speicherung erforderlich. Im Speichermix der Zukunft werden neben Pumpspeicherkraftwerken die Druckluftspeicherung in unterirdischen Hohlräumen ebenso wie die in den letzten Jahren immer effizienter gewordenen Wasserstofftechnologie eine bedeutende Rolle spielen. In solche Speichertechnologien müssen Forschungsgelder aus der Atom- und Kohleforschung umgelenkt werden.
Die Photovoltaik erreicht nach Experteneinschätzung innerhalb der nächsten zehn Jahre die „gridparity“, d.h. Stromgestehungskosten im Bereich des dann gültigen Endverbraucher-Strompreises. Werden z.B. die heute aktiven Betriebsflächen des Braunkohletagebaus in Brandenburg für Freiflächenanlagen genutzt (eine Zweitnutzung z.B. als Grünland ist weiterhin möglich), können Stromerzeugungskapazitäten von weiteren 25,2 PJ (7 TWh) aufgebaut werden. Neben Kippengelände sind ehemalige Militär und andere Konversionsflächen zu nutzen. Das wirtschaftlich bzw. nach aktuellen EEG-Vergütungen erschließbare Potential der Geothermie zur Stromerzeugung in Brandenburg ist noch nicht abschließend geklärt, weshalb die hier erwarteten Zuwächse nicht konkret beziffert werden. Die hervorragende Eignung und das immense Potential der Geothermie zur Wärmegewinnung ist dagegen unstrittig.
Insgesamt kann allein aufgrund der skizzierten Maßnahmen ein Zubau an EE um über 72 PJ (20 TWh) innerhalb der nächsten 20 Jahre realistisch umgesetzt werden. Auf die hohe Braunkohlestromerzeugung kann damit unproblematisch verzichtet werden.
Nötig hierfür sind auf landespolitischer Ebene:
• Ausbau des Übertragungsnetzes, vorrangig mit Erdkabeln statt Freileitungen (In Dänemark ist das Erdkabel im Bereich bis 150 kV Stand der Technik und kostenmäßig allemal vertretbar. Diese Lösung sollte auch für Brandenburg selbstverständlich werden. Im Bereich 220/380 kV besteht noch Forschungsbedarf, bei dem Brandenburg eine Vorreiterrolle spielen sollte)
• Bevorzugte Verteilung der Gewerbesteuern aus EEG-Anlagen zugunsten der Anlagen-Standort-Gemeinde (nicht zugunsten des Firmensitzes)
• Fortsetzung der Forschung im Bereich Geothermie
• Klare Rahmenbedingungen für großflächige PV-Freiflächenanlagen
• Einfachere Bürgerbeteiligung an EEG-Anlagen auf kommunaler Ebene (Solar) bzw.
Kreis- oder Landesebene (Wind)
• Ausbau und ggf. zusätzliches Anreizprogramm bei Kleinst-EEG-Anlagen (Solar, Wind, Wasser) im eher privaten Bereich. (Hier stehen den höheren Erzeugungskosten ein riesiges Akzeptanz-Potential durch kleinmaßstäbliche, private Projekte gegenüber)
• Anpassung der Satzungen und Flächennutzungspläne von Gemeinden, Kreisen und des Landes (Solare Bauordnung)
• Bezug von Ökostrom durch öffentliche Hand (Vorbildfunktion)
In den beiden anderen Energiesektoren Verkehr und Wärme ist ebenfalls ein Ausbau der Erneuerbaren Energien notwendig, wenngleich die rechnerische Vollversorgung für Brandenburg deutlich schwieriger wird.
Im Verkehrsbereich stehen wir für folgende Forderungen:
• Verkehrsvermeidung und -verlagerung: Förderung von ÖPNV, Fuß- und Radverkehr sowie von nachhaltigen Logistikkonzepten im gewerblichen Bereich.
• Effizienzsteigerung: CO2-Grenzwerte für PKW, Umwandlung der KfZ-Steuer in eine CO2-Steuer, Ausweitung der LKW-Maut (Bundesebene)
• Tempolimit (Landesebene)
• Ausbau der Kraftstoffe aus Biomasse nur bei Erfüllung strenger Nachhaltigkeitskriterien (derzeit nicht gegeben)
• Schaffung solcher Nachhaltigkeitskriterien für Biomasse
• Förderung von elektrischen und anderen klimaneutralen Antrieben
• Vorreiterrolle von Land und Kommunen (Elektro-Dienst-PKW,...)
Im Bereich der Wärmeversorgung wollen wir die CO2-Emissionen bekämpfen mittels folgender bundespolitischer Maßnahmen:
• Biogaseinspeisegesetz (Einspeisung effizienter als Vor-Ort-Verstromung)
• Verschärfung der Energieeinsparverordnung (EnEV), Kontrolle der Maßnahmen
• gezielte Verbesserung des KfW-Gebäudesanierungsprogramms
• Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und der Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung (KWKK) in Abhängigkeit des CO2-Ausstoßes
• Förderung von Geothermie zur Gebäudeheizung (Ökostrombetriebene Wärmepumpen bzw. auch Tiefengeothermie)
• Zusätzliche regionale Förderung von Solarthermie für Warmwasser und Gebäudeheizung Brandenburg als waldreiches Land hat noch erhebliches Wärme-Potential aus Biomasse, vor allem Holz. Pelletheizungen sind längst ausgereift, emissionsarm und ähnlich komfortabel wie z.B. Öl- Zentralheizungen, bei deutlich niedrigeren Brennstoffkosten. Zudem haben Holzpellets eine relative
Preisstabilität im Vergleich zu Heizöl oder Erdgas gezeigt. Die verstärkte Nutzung von regional erzeugtem Holz stärkt gleichzeitig die Forstwirtschaft und soll mit dem dringend notwendigen Waldumbau weg von Kiefern-Monokulturen verbunden und gefördert werden.
Für alle drei Bereiche der Energieversorgung ergeben sich für den Ausbau des EE-Anteils folgende Forderungen auf Landesebene:
• Ein angemessener Anteil (2,5 Prozent, davon bis zu 2 Prozent für Windeignungsgebiete) der Landesfläche Brandenburgs wird als Vorranggebiet für Anlagen der EE in den Regionalplänen vorgesehen (EE-Anlagen sind im Regelfall nicht flächendeckend wie z.B. ein Tagebau). Darüber hinaus können andere Flächen ebenfalls aufgrund kommunaler Planungen als Standorte für EEG-Anlagen genutzt werden, soweit dies nicht im Widerspruch zu anderen Gesetzen steht.
• Erarbeiten eines detaillierten, öffentlich zugänglichen Landeskatasters des Potentials aller Arten von Erneuerbaren Energien im Land durch die Landesregierung, als Entscheidungsgrundlage für Land, Kommunen und Investoren. Dieses sollte - wissenschaftlich begleitet – mit Mustercharakter für die EU aufgebaut werden, um flächendeckende reg. Energiestrategien vorbereiten zu können.
• Zur Schlichtung von Rechtsstreitigkeiten bei EEG-Anlagenstandorten wird eine Landes-Clearingstelle geschaffen, die öffentlich anhört und entscheidet. Dadurch werden Investitionsentscheidungen außergerichtlich beschleunigt und sicherer
• Langfristige Energiebilanz (langfristige Vermeidung von Kosten durch rationelle Energieverwendung mittels EE und Einsparung) wird Entscheidungskriterium für öffentliche energetische Investitionen
• Kommunale Energie-Konzepte (z.B. energetische Stadterneuerung) werden vom Land gefördert
• Festschreibung der Vorbildfunktion der Landesregierung und –verwaltung bei der bezogenen Stromqualität, bei eigenen Baumaßnahmen und bei der Mobilität
• Einführung von Richtwerten für Heizenergieverbrauch
• Ergänzung und Anpassung der Bundesförderprogramme für EE, z.B. zum Erreichen Brandenburger Energieziele
Den direktesten Beitrag zur Verringerung des Verbrauch an fossiler Energie liefert die Einsparung von Energie bzw. die Steigerung der Energieeffizienz. Folgende Maßnahmen sollen dies auf Landesebene unterstützen:
• Ist-/Ziel-Monitoring des Energieverbrauchs von Kommunen
• Jeweils effizientestes Gerät wird Standard bei der Beschaffung
• Energieberater in den Kommunen mit Mitspracherecht bei Planungen und als Ansprechpartner für Bürger
• Öffentlichkeitsarbeit / Energiespartipps / Beratung
• Pilot- / Demonstrationsprojekte zum Nachweis der Praxistauglichkeit (Elektroautos, Null-Energie-Gebäude, kommunale Solaranlage mit öffentlicher Buchführung, Geothermie- beheizte Gebäude,...)
• Integrierte Bauplanung von Architekten und (Energie-)Ingenieuren zur Maximierung der Effizienz bei allen Bauvorhaben
3.3. Brandenburg – Innovationszentrum für Erneuerbare Energien
Die Lausitz ist seit Jahrzehnten eine Energieregion, Brandenburg war schon zu Zeiten der DDR wichtiger Stromproduzent. Diese Rolle sollte das Land auch zukünftig spielen, jedoch auf Basis von sauberem Strom nach dem EEG.
Bereits in wenigen Jahren werden auch in der Lausitz mehr Menschen im Bereich der EE als in der Braunkohlenindustrie arbeiten. In Brandenburg sind bereits heute zahlreiche Unternehmen der Solar und Windbranche angesiedelt. Die Forschungsschwerpunkte müssen noch mehr in den Bereich der Energie-
Effizienz, Einsparung, Erneuerbare Energien und Energiespeicherung fokussiert werden. Mit den technischen (Fach-)Hochschulen ist die nötige Kompetenz im Land vorhanden.
In Zeiten langfristig steigender (fossiler) Energiepreise sind gerade dies die Exportschlager, die den Standort Brandenburg stärken werden und schon heute stärken.
4. Ökologische Aspekte
In der Lausitz wurden bislang 83.000 Hektar Land vom Braunkohlebergbau in Anspruch genommen bzw. abgebaggert (vgl. Fläche Brandenburg: 2.950.000 ha). Dabei wurden Tausende Menschen umgesiedelt, Dutzende Ortschaften sind in Baggerschaufeln verschwunden. Wald, Gewässer, Wiesen und Biotope wurden vernichtet, die Lebensräume vieler Pflanzen und Tiere dezimiert.
Der CO2-Ausstoß aus der Braunkohleverstromung belastet nicht nur unser Klima, sondern das Klima des gesamten Planeten.
Wir setzen uns dafür ein, diese traurige Entwicklung in Brandenburg zu stoppen.
Die von uns für den weiteren Ausbau favorisierten Energien aus Wind, Sonne und Geothermie stellen einen geringeren Eingriff in die Natur dar.
Photovoltaik belegt entweder ohne weiteren Flächenverbrauch vorhandene Gebäudeflächen oder als aufgeständerte Freiflächenanlage einen Teil des Bodens, jedoch ohne Flächenversiegelung.
Windkraftanlagen haben ein unterirdisches Fundament, bis auf den Mast geht keine Bodenoberfläche verloren. Wir nehmen die Immissionen durch Schattenschlag, Spiegelung und vor allem Geräusche / Infraschall ernst und treten für Mindestabstände zu Wohnbebauung und schützenswerten Gebieten ein.
5. Ökonomische Aspekte
Unsere Energiestrategie mit dem verstärkten Ausbau der EE bei gleichzeitigem Ausstieg aus der Braunkohleverstromung ist nicht nur für das Klima, sondern auch volkswirtschaftlich ein Gewinn.
In Brandenburg arbeiten gegenwärtig weniger als 5.000 Menschen direkt in der Braunkohlenindustrie, deutschlandweit knapp 23.000. Aus Braunkohle wurden in Deutschland 2007 561,6 PJ (156 TWh) Strom erzeugt (24,5 % der Stromerzeugung). Dem stehen 315 PJ (87,5 TWh) aus EE gegenüber, bei
insgesamt 250.000 Beschäftigten im Sektor der Erneuerbaren Energien. Die Beschäftigen im EE-Bereich sind dabei teilweise dem Anlagenexport zuzurechnen, dennoch sichert die Stromerzeugung aus EE ungleich mehr Arbeitsplätze als dies bei Braunkohle der Fall ist (Faktor >10!).
Die volkswirtschaftliche Argumentation, dass der in der Herstellung derzeit noch teurere EEG-Strom der Wirtschaft schadet, ist durch Nutzenrechnungen eindeutig widerlegt, die die vermiedenen externen Kosten, die vermiedene Umweltbelastung sowie den strompreis-senkenden Effekt des EEG-Stroms mit in die Waagschale legen (z.B. [7]). Im Gegenteil, der volkswirtschaftliche Nutzen zeigt sich also nicht nur in der Arbeitplatz- sondern auch in der Gesamtbilanz.
Anders sieht es bei der Verstromung von Braunkohle aus. Vielleicht liegt hier eine der Ursachen dafür, dass der Landkreis Spree-Neiße im aktuellen Prognos Zukunftsatlas auf dem letzten Platz liegt. Trotz oder gerade wegen der Braunkohle?
Wir Grünen fordern neben dem Ausstieg aus der Braunkohleverstromung eine sofortige Einführung der üblichen Wasserentnahmegebühr auch für den Braunkohletagebau sowie eine Aufhebung aller weiteren direkten und indirekten Subventionen der Braunkohle.
Der gesetzliche zulässige Spielraum der Abgabenbelastung des Braunkohlebergbaus muss voll ausgenutzt werden, ein Teil der Erlöse muss direkt in die betroffenen Regionen fließen.
6. Ausblick
Schon heute sind EE-Technologien aus Deutschland ein Exportschlager. In Zukunft werden angesichts steigender fossiler Energiepreise hochwertige Anlagen zur Nutzung von Erneuerbaren Energien und zur Energieeinsparung noch mehr gefragt sein. Die Zahl von 250.000 Beschäftigten in diesem Sektor hätte vor zehn Jahren niemand für möglich gehalten, ebenso wie einen Anteil von 14 % an der deutschen
Stromerzeugung.
Es geht nun darum, die Weichen richtig zu stellen für eine Fortsetzung dieser Erfolgsgeschichte, für die Integrationsfähigkeit von weiteren 10, 20, 50 Prozent EE in das Stromnetz und in den Energiemarkt, zur Reduktion der deutschen Klimagase.
In Brandenburg heißt das konkret auch den Ausstieg aus der Braunkohle forcieren. Das Festhalten an der Kohle verhindert die Entwicklung von Alternativen, bindet Kapital und Geist und verhindert durch die verloren gegangene Attraktivität und Planungssicherheit (Bedrohung durch zukünftige Tagebaue) ganz konkret die Ansiedlung anderer Branchen, z.B. aus dem Bereich der EE.
Vor uns liegt ein langer steiniger Weg, den zu gehen es noch viel Mut seitens der Politik braucht. An dessen Ende steht eine vollständig auf Erneuerbaren Energien basierende Energieversorgung – in Brandenburg und in Deutschland. Wir haben es heute in der Hand, weiterhin zu den Letzten, oder aber zu den Pionieren dieser Entwicklung zu gehören!
Quellen
[1] www.mluv.brandenburg.de/cms/detail.php/lbm1.c.212239.de (abgerufen am 10.08.2008)
[2] www.statistik-berlin-brandenburg.de (abgerufen am 10.08.2008)
[3] www.mluv.brandenburg.de/cms/media.php/2328/eeausbau.pdf (abgerufen am 10.08.2008)
[4] www.statistik-berlin-brandenburg.de/daten/daten-Energie2.pdf (abgerufen am 10.08.2008)
[5] www.wirtschaft.brandenburg.de/cms/media.php/gsid=lbm1.a.1312.de/Energiestrategie%202020.pdf (abgerufen am 10.08.2008)
[8] www.lausitzer-braunkohle.de/thema_arbeit.php
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