Für eine generationenübergreifende Sozialpolitik - Aus dem Landtagswahlprogramm 2009

15.02.09 –

Für eine generationenübergreifende Sozialpolitik


BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen sich entschieden für ein soziales Brandenburg ein, in dem die Menschen nicht mit ihren Problemen allein gelassen werden. Dazu sind ausreichende Sozialleistungen nötig, die auch bedürftigen Menschen ein Leben in Würde ermöglichen. Sozialpolitik lässt sich jedoch nicht auf die Zahlung von Sozialleistungen reduzieren. Zu einer angemessenen Sozialpolitik gehören auch Beratungseinrichtungen, die Menschen in besonderen Lebenslagen begleiten und unterstützen, und eine öffentliche Daseinsvorsorge, die gewährleistet, dass lebenswichtige Güter allen zur Verfügung stehen.
Alle politischen Entscheidungen müssen berücksichtigen, dass Menschen unterschiedlich sind und erst die Rücksichtnahme auf Schwächere und deren besondere Unterstützung eine humane Gesellschaft ausmacht. So müssen StadtplanerInnen und VerkehrspolitikerInnen barrierefrei denken – und vor allem handeln. Wohnungspolitik muss die Menschen im Blick haben, die sich keine Wohnung leisten können. Die Bildungspolitik muss sich dem Ausgleich von Chancen benachteiligter Kinder und deren besonderer Förderung verschreiben.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen, dass zukünftig in regelmäßigen Abständen Berichte zu sozialen Lebenslagen in den Kommunen, den Landkreisen und für das Bundesland Brandenburg erstellt werden, die auch Erkenntnisse über die Entwicklung von Armut und Reichtum enthalten. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen, dass Arbeitslose und andere Bedürftige ihre Leistungen weiterhin aus einer Hand erhalten.


Kinderarmut – ein sozialpolitischer Skandal

Bestimmte Familienformen und Haushaltstypen sind besonders von Armut bedroht. Dazu gehören kinderreiche Familien und alleinerziehende Eltern. Derzeit lebt jedes vierte Kind in Brandenburg in Armut. Noch zu wenig berücksichtigt sind diejenigen Kinder und Jugendlichen, die entweder in verdeckter Armut leben oder von Armut bedroht sind. Auf diesen sozialpolitischen Skandal hat die Landesregierung bislang nur unzureichende Antworten gefunden. Eine klare Strategie der Landesregierung ist nicht erkennbar.
Gerade Kinder, die in Armut leben, machen nicht nur die Erfahrung, was es bedeutet, wenig Geld zu haben – sie sehen sich vielfältigen Formen der Benachteiligung ausgesetzt. Armut wird an vielen Stellen spürbar: Nachteile in der Schule, schlechtere Gesundheit oder Vorsorge, eingeschränkter Zugang zu Kultur sowie zu angemessenem Wohnraum. Armutsfolgen sind dermaßen weitreichend, dass zu ihrer Bekämpfung bzw. Vermeidung auch auf verschiedenen Ebenen angesetzt werden muss: Zum einen muss auf den Ausbau und die Stärkung der Infrastruktur gesetzt, zum anderen die materielle Absicherung sichergestellt werden.
Arme Kinder brauchen außer existenzsichernden Regelsätzen bei den Sozialleistungen auch einen Ausbau des Betreuungsangebotes und mehr frühkindliche Bildung.


Erwerbslosigkeit bekämpfen – nicht die Erwerbslosen

Die Erosion der sozialen Sicherungssysteme ist für die Betroffenen zunehmend entwürdigend. Das Armutsrisiko hat sich insbesondere bei Erwerbslosigkeit, Langzeitarbeitslosigkeit, aber auch bei der zunehmenden Anzahl von Beschäftigten im Niedriglohnsektor erhöht. Die bevorstehende hohe Altersarmut ist Folge der mit Niedrigeinkommen, ALG I und ALG II einhergehenden langjährig niedrigen Rentenbeitragszahlungen. Auf Grund ihrer spezifischen Erwerbsbiografien mit Erziehungszeiten, Familienpflege und häufigen Teilzeitarbeitsverhältnissen sowie auf Grund niedrigerer Löhne sind Frauen von zukünftiger Altersarmut besonders betroffen.
Arbeitsplätze auf dem 1. Arbeitsmarkt zu schaffen, ist für uns Bündnisgrüne Voraussetzung für eine dauerhafte Reduzierung der Arbeitslosigkeit. Dies schaffen wir nur durch eine ökologisch nachhaltige Umgestaltung der Wirtschaft. Wir brauchen eine Arbeitsmarktpolitik, die Erwerbs-arbeit im unteren
Einkommensbereich lohnender macht, es erleichtert, Arbeitsplätze zu schaffen und Lohn-Dumping auf Kosten der Allgemeinheit unterbindet.
Zur Integration von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt brauchen wir auch zukünftig einen zweiten Arbeitsmarkt. Ein–Euro-Jobs (MAE) sind zur Wiedereingliederung von Langzeitarbeits-losen in den Arbeitsmarkt jedoch meist untauglich. Daher fordern wir, auf die Nutzung der Ein–Euro-Jobs zu verzichten und andere Programme zu bevorzugen.
Aufgrund der Unterschiede und spezifischen Entwicklungspotentiale in den einzelnen Regionen Brandenburgs ist eine Regionalisierung der aktiven Arbeitsmarkpolitik erforderlich. Die Ausweitung der Regionalbudgets auf das ganze Land ist ein richtiger Ansatz, um das brachliegende Potential zu mobilisieren. Soziale Wirtschaftsbetriebe in Trägerschaft von Kommunen, Vereinen und Verbänden werden von uns als Instrument des 2. Arbeitsmarktes betrachtet. Die Einzelmaßnahmen müssen Bestandteil eines regionalen Gesamtkonzeptes sein, in dessen Aufstellung und Umsetzung die Wirtschaftsbetriebe der Region eingebunden sind.
Die Förderung von Existenzgründungen, insbesondere durch die Vergabe von Mikrokrediten durch die Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB), muss auch weiterhin ein wichtiger Bestandteil der Arbeitsmarktpolitik bleiben und ausgebaut werden. Entsprechende Beratungsangebote sind in den Arbeitsagenturen zu stärken.


Mindestlöhne durchsetzen

Wir wollen endlich einen gesetzlichen allgemeinen Mindestlohn einführen, damit sich die Arbeit auch für Geringverdienende zukünftig wieder lohnt. Die Höhe muss so bemessen sein, dass man von dem Einkommen leben kann, ohne auf Transferleistungen angewiesen zu sein. Mindestlöhne sorgen für Fairness und Sicherheit, verhindern Armut trotz Arbeit und dienen überdies der Geschlechtergerechtigkeit, da 70% der Niedriglohnempfänger Frauen sind. Darüber hinaus unterstützen wir alle Initiativen zur Stärkung der Flächentarifverträge und der Tarifautonomie.
Auch in Brandenburg sollen zukünftig nur Unternehmen, die verbindlich erklärte Tariflöhne bezahlen, öffentliche Aufträge erhalten. Dazu ist endlich ein rechtswirksames Vergabegesetz einzuführen, das u.a. für relevante Branchen wie beispielsweise Bau, Gebäudereinigung, Gebäudedienstleistungen, ÖPNV oder Sicherheit und Bewachung soziale und ökologische Vergabekriterien vorschreibt und spürbare Sanktionen vorsieht. Wir unterstützen alle europarechtlichen Bestrebungen, in Zukunft auch die örtliche Tarifbindung von Vergabegesetzen zu ermöglichen und alle bundesgesetzlichen Initiativen für eine in der Zwischenzeit wirkungsvolle und lückenlose Mindestlohnregelung.
Dezentrale Entscheidungsstrukturen in der Arbeitsmarktpolitik stärken
Das individuelle Fördern muss im Mittelpunkt der Arbeitsmarkt- und der Sozialpolitik stehen. Ziel dieser individuellen Förderung muss es sein, nicht nur die Existenz der Betroffenen zu sichern, sondern ihnen ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.
Die Städte und Gemeinden brauchen dazu mehr Handlungsspielräume, um tatsächlich wirksame Hilfe für Arbeitslose und Bedürftige leisten zu können. Nur vor Ort kann gewährleistet werden, dass viele Menschen individuell und nachhaltig in den Arbeitsmarkt integriert werden. Wichtig ist die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung.
Die regionalen Träger der Arbeitsvermittlung benötigen daher dringend die Personal- und Budgethoheit. Zentrale Vorgaben und Regelwerke der Bundesagentur berücksichtigen die regionalen Entwicklungen nicht und wirken als Hemmschuh für die Arbeitsagenturen vor Ort. Die Erfahrungen mit der Zusammenarbeit von Kommunen und der Bundesagentur für Arbeit in den Job-Centern, aber auch in den Optionskommunen und Landkreisen, sind auszuwerten und erkannte Schwächen mit Fortbildungsmaßnahmen für deren MitarbeiterInnen aufzuarbeiten.
Dennoch muss der Bund dauerhaft in der Verantwortung bleiben, insbesondere bei der Finanzierung der Sozialleistungen. Die finanziellen Lasten, die durch eine hohe Arbeitslosigkeit verursacht werden, dürfen nicht nur den Kommunen, Landkreisen oder den Bundesländern aufgebürdet werden. Die Kommunen und Landkreise müssen für die Aufgabe entsprechend ausgestattet werden.
Beim Fallmanagement müssen EmpfängerIn und AnsprechpartnerIn gemeinsam nach Lösungen suchen. Hierfür muss den EmpfängerInnen die Möglichkeit eingeräumt werden, die AnsprechpartnerIn zu wechseln, wenn Kommunikationsprobleme nicht zu überbrücken sind und ein gemeinschaftliches Vorgehen unmöglich machen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern, bei allen Einrichtungen, die für die Auszahlung von Sozialleistungen verantwortlich sind, eine Ombudsstelle einzurichten. Damit würden neutrale Anlaufstellen bestehen, die bei Konflikten vermitteln. Dadurch können unterschiedliche Auffassungen bereits in einem frühen Stadium bearbeitet und gelöst werden. Die Anzahl der Gerichtsverfahren könnte in Folge dessen deutlich sinken.


Menschen mit Behinderung gleichstellen

Aktive Teilhabe und ein selbstbestimmtes Leben sind die Kernziele bündnisgrüner Behindertenpolitik. Wir müssen jedoch feststellen, dass die Lebenssituation der rund 350.000 Menschen mit Behinderung in Brandenburg davon noch weit entfernt ist. Im Alltag verschließen allzu oft unüberwindbare Barrieren den Eintritt zu öffentlichen Einrichtungen und bestehende Ressentiments den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt. Der von der rot-grünen Bundesregierung angestoßene Paradigmenwechsel, Menschen mit Behinderungen nicht länger als bloße Empfängerinnen und Empfänger staatlicher Fürsorge zu sehen, sondern ihnen einen Rechtsanspruch auf Assistenz und Unterstützung zu garantieren, wurde in Brandenburg nur halbherzig weitergeführt.
Gerade wegen des unermüdlichen Engagements von Verbänden, Vereinen und Selbsthilfeorganisationen in Brandenburg konnte in den letzten Jahren einiges für die Integration von Menschen mit Behinderungen erreicht werden. Dazu gehört das Landesbehindertengleichstellungsgesetz. Wir stellen aber fest, dass es völlig ungenügend ist, wenn sich der Geltungsbereich des Gesetzes in § 6 Abs. 1 auf die Landesbehörden beschränkt. Ebenso muss in diesem Gesetz das Amt der/des Landesbehindertenbeauftragten entsprechend dem Anspruch der Aufgaben unabhängig, mit notwendiger Ausstattung und Kompetenz qualifiziert werden. Auch soll in diesem Gesetz die Förderung von gemeinsamen Kompetenzzentren der Behindertenverbände und die Aufstellung eines Teilhabeplanes verankert werden.
Die Kommunen und damit auch die Landkreise und kreisfreien Städte sind bis zum heutigen Tage nicht an die Vorschriften des Behindertengleichstellungsgesetzes gebunden und nicht dazu verpflichtet, durch Schaffung von Barrierefreiheit, Verwendung der Gebärdensprache, Kommunikationshilfen, behindertengerechte Gestaltung von Bescheiden und Vordrucken sowie barrierefreien Internetangeboten behinderten Menschen die aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu erleichtern. Das wollen wir umgehend ändern und die Kreise und Kommunen an das Landesgleichstellungsgesetz binden, damit Unterstützungssysteme und spezifische Beratungsmöglichkeiten für Betroffene verbessert werden. Angelehnt an die europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien und die Möglichkeiten der Kommunalverfassung wollen wir die Kreise und größeren Kommunen verpflichten, das Amt des oder der Behindertenbeauftragten rechtlich zu installieren, zu festigen und mit den notwendigen Kompetenzen auszustatten. Die Behindertenverbände benötigen in dem Zusammenhang ein gesetzlich verbrieftes Recht zur Überprüfung von behördlichen Entscheidungen, die die Landkreise und kreisfreien Städte getroffen haben.
Wir Bündnisgrüne wollen vorhandene Instrumente und Fördermöglichkeiten – auch aus dem Europäischen Sozialfonds – gezielt einsetzen, um Menschen mit Behinderungen einen gleichberechtigten Zugang zum ersten Arbeitsmarkt, zur Berufsbildung und beruflichen Eingliederung zu gewährleisten. Wir wollen die Integration von behinderten Kindern an Kindergärten und Schulen personell sicherstellen und den Behindertensport als Teil des Breitensports stärker fördern. Im Rahmen der Aufsichtsfunktion beim RBB soll das Land  Sensibilisierungskampagnen anregen, die zum Abbau von Diskriminierung und Vorurteilen führen. Dazu gehört auch eine Informationskampagne zur Integration von Menschen mit Behinderung in der Arbeitswelt, mit der auf die Pflicht der ArbeitgeberInnen hingewiesen wird, Integrationsvereinbarungen mit den gesetzlichen Interessenvertretungen der Beschäftigten zu schließen (§83 SGB XI).
Die neue Leistungsform des SGB IX „Persönliches Budget“ ermöglicht es Personen, die Rehabilitations- und bestimmte Sozialleistungen beziehen, auf eigenen Wunsch ihre bisherigen Sachleistungen als Geldleistung zu erhalten und damit die/den LeistungserbringerIn selbst bestimmen zu können. In Brandenburg fehlt eine aktive Informationspolitik, die über dieses wichtige Element der Selbstbestimmung informiert. Darüber hinaus tun sich die verschiedenen Träger der Einzelleistungen wie Krankenkassen, Kommunen und Rehabilitationszentren schwer damit, beim persönlichen Budget übergreifend zusammenzuarbeiten. Dies macht das Budget de facto nicht nutzbar. Hier muss das Land in Zukunft über die Unterstützung von Pilotvorhaben dazu beitragen, dass diese Schwierigkeiten zügig überwunden werden.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstützen die Forderung, die Lebenssituation von Frauen und Männern mit Behinderung einmal in der Legislaturperiode im Landtag zu debattieren. Eine regelmäßige Berichtspflicht zwingt zu mehr Analyse, zur Planung und zur Rechenschaft. Sie bildet den Anlass, Themen zu erörtern und zu diskutieren, die es ohne einen schriftlichen Bericht schwer hätten, in die Öffentlichkeit zu gelangen.


Medizinische Versorgung für alle – auch im ländlichen Raum

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzen sich dafür ein, dass für jeden Menschen eine ausreichende medizinische Versorgung zur Verfügung steht – sowohl in den Städten als auch im ländlichen Raum.
Die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum stellt sich gegenwärtig vielfach als Drama dar. Die Wege zu Ärztinnen und Ärzten sind im ländlichen Raum ohnehin weiter als in den Städten – durch unbesetzte Arztstellen werden sie noch länger. Darunter leidet die Qualität der ärztlichen Versorgung erheblich. Landesregierung, kassenärztliche Vereinigung und Krankenkassen sind hier gleichermaßen in der Pflicht, wirksame Anreize für ÄrztInnen zu schaffen, damit diese auch in unterversorgten ländlichen Räumen praktizieren. Die bisherigen Ansätze reichen hierfür nicht aus.
Die Krankenhausplanung und -finanzierung wird eng mit den Kreisen und kreisfreien Städten abgestimmt. Wir treten für den Erhalt öffentlicher und freigemeinnütziger Krankenhäuser ein. Bei der Weiterentwicklung des brandenburgischen Krankenhausplans setzen wir auf regionale Krankenhausverbünde mit integrierten Versorgungskonzepten, um insbesondere im ländlichen Raum die medizinische Versorgung durch Medizinische Versorgungszentren (MVZ) zu sichern. Kleinere ländliche Krankenhäuser sind zu integrierten fachärztlichen Versorgungszentren umzubauen. Dazu muss allerdings die Trennung zwischen den ambulanten und stationären Facharztsektoren aufgehoben werden.
Um dem Ärztemangel in den ländlichen Regionen entgegen zu wirken, fordern wir den Aufbau eines Stipendiensystems für MedizinstudentInnen und Auszubildende in Pflege- und therapeutischen Berufen, das mit einer zeitlich begrenzten Niederlassungspflicht verbunden ist. Um die ÄrztInnen zu unterstützen, ist es aber auch notwendig, die Zuständigkeiten des Pflegepersonals – vor allem in Bereichen der Medikamentierung und der Erstversorgung – aufzuwerten (Sanitätsausbildung für KrankenpflegerInnen und ArzthelferInnen). Wir begrüßen das Konzept der „GemeindepflegerInnen“ und unterstützen dessen weiteren Ausbau.
Um den Aufbau von Praxen zu erleichtern, ist ein Landesfonds einzurichten, der im Einzelfall finanzielle Unterstützung leisten kann.

Ambulante Versorgung ausbauen

Der weitere Ausbau der mobilen ambulanten Versorgung ist mehr als notwendig; jedoch gibt es immer wieder grundlegende Kritik an der Arbeit von privaten ambulanten Diensten. Um die Qualität in der ambulanten Versorgung sichern zu können, bedarf es eindeutig nachvollziehbarer und leicht kontrollierbarer Qualitätskriterien.
Neben dem Ausbau der mobilen ambulanten Pflege müssen auch psychiatrische Dienste leichter zugänglich werden. Viele Betroffene oder deren Angehörige sind sich über die Vorzeichen auftretender Störungen bewusst. Schnelles Eingreifen durch einen mobilen Dienst kann lange Aufenthalte in Kliniken verhindern. In diesem Rahmen sollen die mobilen Dienste auch für Angehörige jeder Zeit beratend zur Seite stehen.
Pflege und Ruhe sind zur Genesung der Patienten ebenso wichtig wie die medizinische Betreuung. Eine Aufwertung des Pflegepersonalschlüssels in den Kliniken und die Unterbringung der PatientInnen in kleinen Zimmern (2 Personen) müssen Standard für einen angemessenen Krankenhausaufenthalt werden.
Psychische Erkrankungen nehmen in unserer Gesellschaft immer weiter zu oder werden vermehrt als solche erkannt. Wir fordern einen Ausbau vor allem der psychiatrischen Tageskliniken, die besser auf individuelle Probleme zugeschnitten sind. Ein angemessener Pflegepersonalschlüssel ist hier ebenso wichtig wie funktionsfähige Ambulanzen.
Generationsübergreifendes Wohnen in aktiver Nachbarschaft fördern
Neue Wohn- und Lebensformen sind in Folge der demografischen Veränderungen dringend notwendig. Wir unterstützen das Bedürfnis von Bürgerinnen und Bürgern nach einem neuen Modell des Miet-Wohnens. Es besteht darin, dass sich die Mieterinnen und Mieter im täglichen nachbarschaftlichen Kontakt gegenseitig helfen, dass sie Verantwortung im Rahmen der generationsübergreifenden Mietergemeinschaft übernehmen und dass sie Leistungen für die Pflege des Mietobjekts übernehmen. Durch die engeren Kontakte der alten und jungen Nachbarn können die Älteren länger geistig und körperlich flexibel bleiben, der Vereinsamung von Singles oder älteren Menschen wird vorgebeugt, junge Familien können Unterstützung bei der Kinderbetreuung erhalten und die Kinder erleben Generationen-Solidarität. Es könnten auf lange Sicht sogar Sozial- und Pflegeleistungen vermindert oder hinausgezögert werden, was zu einer Entlastung der Kosten aus dem öffentlichen Haushalt beitrüge.
Auf diese Art können Bürger und Bürgerinnen selbst einen nachhaltigen Beitrag zur Entwicklung einer „sozialen Stadt“ leisten. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern die Landespolitik auf, solche Bauvorhaben zu unterstützen, die es Bürgerinnen und Bürger ermöglichen, sich mit nachbarschaftlichen Leistungen solange wie möglich selber zu helfen. Das Miet-Wohnmodell ist unser Vorschlag, der demografischen Entwicklung zu begegnen. Damit sich Rentnerinnen und Rentner, oder sozial schwächer gestellte Menschen die Mieten leisten können, fordern wir modellhafte Unterstützung bei der Förderung durch Land, Bund oder/und die Europäische Union.

ie Vorsorge in der Gesundheitspolitik stärken

Grüne Gesundheitspolitik ist nachhaltig. Sie hat die Erhaltung der Gesundheit durch gezielte und differenzierte Vorsorge im Blick. Hierzu gehört für uns ein gut ausgebautes und unabhängiges Gesundheitsinformations- und Beratungssystem für die Bürgerinnen und Bürger. Verlässliche Gesundheitsinformationen wiederum sind Grundlage für selbstbestimmte Entscheidungen der Menschen im Hinblick auf ihre Gesundheit. Selbsthilfeorganisationen und Gruppen sind für
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unentbehrliche Institutionen für gezielte Hilfe. Sie werden daher von uns unterstützt. Wir setzen uns für einen zielgruppenspezifischen Ausbau der Prävention und der Gesundheitsförderung ein. Dabei unterstützen wir in erster Linie gesundheitsfördernde Lebens- und Arbeitsbedingungen und eine Gesundheitsbildung in den Kitas, Schulen, Stadtteilen und im ländlichen Raum.
Mehr HIV–Beratungsstellen müssen eingerichtet werden. Es muss alles getan werden, um zu vermeiden, dass sich HIV-Infektionen und Hepatitis weiter ausbreiten. Dazu gehören vor allem eine optimale, an aktuelle Begebenheiten angepasste Aufklärungsarbeit und eine umfangreiche Beratung bis hin zur Begleitung von Menschen in dieser schwierigen Lebenslage.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN treten für eine geschlechtergerechte Gesundheitsversorgung ein. Unabhängige Hilfs- und Beratungsangebote, wie z.B. Frauengesundheitszentren, sollten in Brandenburg – ähnlich wie in anderen Bundesländern – entstehen. Für Patientinnen mit Migrationshintergrund benötigen wir entsprechend geschultes Personal.
Der Aufbau von Rehabilitationszentren im Rahmen der Ausweitung des „Gesundheitstourismus“ kann auch zu einem verbesserten medizinischen Angebot im Land genutzt werden.


Die Kindergesundheit besonders in den Blick nehmen

Im Kindesalter werden die Grundlagen für ein gesundes Leben gelegt. Daher gilt der Gesundheit der Kleinsten unsere besondere Aufmerksamkeit. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schlagen eine verpflichtende Vorsorgeuntersuchung für alle Kinder im 21. bis 24. Lebensmonat durch die Gesundheitsämter vor. Eltern, deren Kinder die freiwillige – und von den Krankenkassen finanzierte – Vorsorgeuntersuchung „U7“ beim niedergelassenen Kinder- oder Hausarzt in Anspruch nehmen, sollen von dieser Pflicht entbunden werden. Die verpflichtende Untersuchung soll zumindest dem Untersuchungsstandard der freiwilligen „U7“ entsprechen.
Außerdem fordern wir eine bessere Vernetzung der mit dem Schutz von Kindern befassten Berufsgruppen (z.B. Kinderärzte, Hebammen, SozialarbeiterInnen, staatliche Stellen, freie Träger, Polizei und auch Sportvereine) in „Kinderschutz-Netzwerken“. Ziel ist ein besserer Informationsfluss in Verdachtsfällen und die damit verbundene Möglichkeit, schneller einzugreifen. Durch ein Landesprogramm sollen bewährte Modelle („best practice“) in den Kommunen etabliert werden. Die Kreise, Städte und Gemeinden müssen finanziell in die Lage versetzt werden, bedarfsgerecht Jugend- und Gesundheitsämter auszustatten und Mittel an freie Träger für Präventions- und Hilfsangebote (z.B. therapeutische Angebote, Gewaltprävention, „aufsuchende Hilfen“) vergeben und „Kinderschutznetzwerke“ etablieren zu können. Als vorbildlich sehen wir hier das Kinderbesuchsprogramm der Stadt Potsdam an. Die ErzieherInnen sowohl der Kinderbetreuungseinrichtungen in öffentlicher Hand sowie in freier Trägerschaft müssen in Weiterbildungskursen zum Thema „Vernachlässigung“ geschult werden. Gesundheitsbildung muss in Kitas und Schulen Einzug halten – dort ist es zudem wichtig, gesunde Lebensweisen auch praktisch zu vermitteln: Kitas und Schulen müssen gesundes Essen in Bio-Qualität anbieten und Süßwaren- und Softdrink-Automaten von ihrem Gelände verbannen.


Die Sucht, nicht die Süchtigen bekämpfen

Wir wollen, dass die Menschen bewusst mit allen Drogen umgehen – dies schließt auch Alkohol, Tabak und Medikamente mit ein. Dabei setzen wir auf Aufklärung und Prävention anstatt auf Kriminalisierung und Repression.
Es besteht nach wie vor ein riesiger Widerspruch im Umgang mit legalen und illegalen Drogen. So werden die Gefahren, die vom Rauchen und vom Alkohol ausgehen, kontinuierlich verharmlost, wohingegen die Gefahren des Cannabiskonsums mitunter übertrieben dargestellt werden. Der Konsum
jeglicher Drogen – einschließlich der von Alkohol und Zigaretten – stellt nicht nur eine Gefahr für die KonsumentInnen selbst dar, sondern ist auch eine Gefahr für ihre Umwelt. Dies wird durch die Vielzahl von Unfällen unter Alkoholeinfluss im Straßenverkehr besonders deutlich.
Die Einführung des Rauchverbots in Restaurants und Lokalen war ein erster richtiger Schritt zum Schutz des Personals und der NichtraucherInnen. Die Regelungen werden aber nur dann zum Erfolg führen, wenn es keine Ausnahmen gibt.
Die Verhinderung des Cannabis-Konsums durch Kriminalisierung ist gescheitert. Bundesweit wird die Zahl der KonsumentInnen auf weit über 2 Mio. geschätzt und auch in Brandenburg ist der Konsum weit verbreitet. Die cannabisfreie Gesellschaft ist genauso wie die alkohol- und tabakfreie Gesellschaft eine Illusion. Dies sollte sich unsere Gesellschaft endlich eingestehen. Die Null-Toleranz-Politik Brandenburgs gegenüber dem Konsum von Cannabisprodukten schafft den Drogenmissbrauch nicht ab und führt vor allem zu einer Kriminalisierung der Betroffenen. Wir wollen daher der gesellschaftlichen Realität Rechnung tragen und weiche Drogen wie Haschisch und Marihuana legalisieren und die Verfolgung von Cannabis-KonsumentInnen beenden. Als ersten Schritt fordern wir die Anhebung der zulässigen Cannabis-Freimenge auf 20 g und damit eine Angleichung an das Land Berlin. Der Anbau von Cannabis für den Eigenbedarf soll straffrei bleiben.
Das Auftreten von Infektionen, vor allem die Ansteckung durch HIV, ist ein großes Problem von Drogenabhängigen. Die Einrichtung mobiler Drogenberatungen, die in Brennpunktgebieten Drogenabhängige mit sauberem Fixbesteck versorgen und Wege zu einem drogenfreien Leben aufzeigen, kann Abhilfe schaffen. Um Abhängigen von synthetischen Drogen vor hochgefährlichen Beimischungen zu schützen, sollte sogenanntes anonymes Drug-Checking ermöglicht werden.
Schwerstabhängige brauchen Hilfe. Wir fordern humane Wege um Schwerstabhängigen einen Weg zurück in die Gesellschaft zu ebnen. Wir setzen hier auf Programme wie die kontrollierte Abgabe von Heroin, die aus medizinischer Sicht einer Abgabe von Methadon zu bevorzugen ist, sowie der Ausweitung von Programmen zum klinischen Entzug mit anschließenden Resozialisierungsprogrammen. Hierbei muss besonders beachtet werden, dass ehemals Abhängige jenseits ihres früheren Umfeldes betreut werden.

Menschenwürdige Pflege sichern

Die derzeitige Situation in vielen Pflegeheimen wirkt abschreckend. Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen, die pflegebedürftigen Menschen auch im Alter ein Leben in Selbstbestimmung und gesellschaftlicher Teilhabe ermöglichen. Über 95% der älteren Menschen wünschen sich für den Fall, dass sie pflegebedürftig werden, eine andere Lebens- und Wohnform als das klassische Heim.
Diese Wünsche sind verbunden mit dem Bedürfnis, den Lebensabend in einer Umgebung zu verbringen, die mit Individualität, Vertrautheit, Überschaubarkeit der Lebensform und Häuslichkeit verbunden ist. Wir wollen daher bei Pflegebedürftigkeit nicht auf traditionelle Einrichtungen setzen, sondern die gesetzlichen Rahmen und die Entwicklungsplanung so ausrichten, dass ein breites, differenziertes und flexibles Angebot für unterschiedliche Zielgruppen möglich ist. Die Zukunftsperspektive für das Wohnen im Alter und bei Pflegebedürftigkeit liegt in der Verankerung von Wohn- und Hilfsangeboten für pflegebedürftige und ältere Menschen in ihrer vertrauten Umgebung. Wir wollen deshalb vielfältige Wohnformen fördern. Dazu gehören integriertes Wohnen, Mehrgenerationen-Wohnen, selbstorganisierte und betreute Wohngemeinschaften, Hausgemeinschaften für Menschen mit Demenz oder für Drogenabhängige, oder Pflegewohnungen in Wohnquartieren. In der Stadtplanung, sowie bei der Vergabepraxis und Planung von Neubauten durch private und kommunale Wohnungsbaugesellschaften, sind solche Modelle zu berücksichtigen.
Die Vernetzung der Angebote im Quartier und unabhängige Beratung kann älteren Menschen das gewünschte Verbleiben in den eigenen vier Wänden ermöglichen. Der zunehmende Bedarf für häusliche Pflege darf nicht den Familien und dort den Frauen allein überlassen werden, sondern braucht lokale Angebote aus einer Mischung aus pflegeunterstützenden Hilfen und haushaltsnahen Dienstleistungen. Wir wollen erreichen, dass das Land die Möglichkeiten der europäischen Förderung nutzt und solche Pilotprojekte fördert.
Der Großteil der Menschen wünscht sich, würdevoll in vertrauter Umgebung zu sterben – dieser Wunsch bleibt jedoch oft unerfüllt. Wir wollen das Tabu des Sterbens aufbrechen und menschenwürdige Pflege auch für Schwerstkranke und Sterbende gewährleisten. Hierzu fordern wir eine bessere Bezahlung und eine höhere Qualifizierung des Personals in den Pflege- und Hospizeinrichtungen.
Wir Bündnisgrüne stehen zudem dafür, dass ältere Menschen nicht durch den rasanten Wandel der Gesellschaft durch die neuen Formen der Informations- und Kommunikationstechnologien aus einer selbstständigen Lebensführung und der gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen werden.
Im Rahmen der Landeskompetenz für die Heimgesetzgebung sollte die Abkehr von Großeinrichtungen hin zu kleinen überschaubaren Wohnpflegeeinheiten in den Ortslagen vollzogen werden. Die fachliche Kompetenz des Pflegepersonals ist zu stärken. Der gegenwärtig viel zu niedrige Pflegeschlüssel ist zu steigern, dabei ist ausreichend Zeit für menschliche Zuwendung einzuplanen. Für die Qualität von Pflegeeinrichtungen fordern wir landeseinheitliche Kriterien, die sich an den Bedürfnissen der zu Pflegenden orientieren und durch externe GutachterInnen laufend überprüft werden. Diese Qualitätsberichte sind regelmäßig zu veröffentlichen.
Es wird deutlich, dass sich gerade im Land Brandenburg in den letzten Jahren sowohl im Pflege- als auch im Behindertenbereich verschiedene Wohn-, Pflege- und Betreuungsformen entwickelt haben, die den Interessen und Bedürfnissen der betreuten Menschen nach Selbstbestimmung, Normalität und Teilhabe am Leben mehr entgegen kommen. Dieser Paradigmenwechsel macht es erforderlich, auch bestimmte gemeinschaftlich betreute Wohnformen in den Anwendungs-bereich der Heimgesetzgebung einzubeziehen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern daher zur Stärkung der Selbstbestimmung und der Teilhabe sowie zum Schutz von Menschen in gemeinschaftlichen betreuten Wohnformen in Brandenburg ein zeitgemäßes und eigenständiges Nachfolgegesetz auf Landesebene.

Kategorie

Soziales und Gesundheit | Wirtschaft, Finanzen

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